Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
I. Entstehung, Zweck und Anwendungsbereich der Vorschrift
Rz. 1
§ 71 BewG ist durch das BewÄndG 1965 in das Bewertungsgesetz eingefügt worden. In der Regierungsvorlage war die Vorschrift nicht vorgesehen, weil diese – ihrem Rechtscharakter nach – sachliche Steuerbefreiung im Schutzbaugesetz geregelt werden sollte. Da bei den Beratungen über das BewAndG 1965 nicht zu übersehen war, ob das Gesetz über bauliche Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung (SchutzBauG) noch in der IV. Legislaturperiode und damit rechtzeitig vor Beginn der Hauptfeststellung 1964 verabschiedet werden konnte, wurde § 71 BewG nach dem Bericht des Finanzausschusses in das Bewertungsgesetz aufgenommen. Inhaltlich deckt sich § 71 BewG weitgehend mit § 8 SchutzBauG vom 9.9.1965, zuletzt geändert durch das Einführungsgesetz zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21.12.1974. Zum Verhältnis des § 71 BewG zu den steuerlichen Vorschriften des SchutzBauG s. unten Anm. 8 f.
Die Überschrift des § 71 BewG wurde durch das StÄndG 2001 vom 20.12.2001 geändert. Dabei wurde das Wort "Bevölkerungsschutz" durch das Wort "Zivilschutz" ausgetauscht. Das Schutzbaugesetz vom 9.9.1965 ist durch das Zivilschutzneuordnungsgesetz – ZSNeuOG – vom 25.3.1997 ersetzt worden. Die Änderung der Überschrift ist eine redaktionelle Anpassung an die Bezeichnung des neuen Gesetzes.
Rz. 2
§ 71 BewG verfolgt den Zweck, den Grundstückseigentümer wegen seiner Leistungen für den Zivilschutz zu begünstigen. Die Vorschrift bewirkt durch die Herausnahme von für den Zivilschutz bestimmten Gebäuden, Gebäudeteilen und Anlagen aus der Einheitsbewertung des Grundvermögens eine gegenständlich begrenzte Steuerbefreiung. Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Begünstigung s. unten Anm. 4 f.
Rz. 3
§ 71 BewG ist erstmals bei der Hauptfeststellung der Einheitswerte auf den 1.1. 1964 anwendbar. Der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift beschränkt sich aufgrund seiner Einfügung in den Zweiten Teil des Gesetzes, Abschn. C, zunächst nur auf das Grundvermögen. Über § 99 Abs. 3 BewG war § 71 BewG auch bei der Einheitsbewertung von Betriebsgrundstücken anzuwenden. Über § 47 BewG ist § 71 BewG auch auf den Wohnungswert der wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens anzuwenden. Wegen weiterer Einzelheiten s. unten Anm. 8 f.
II. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Begünstigung nach dem BewG
Rz. 4
Die Gebäude, Gebäudeteile und Anlagen müssen, um bei der Bewertung außer Ansatz gelassen zu werden, für den begünstigten Zweck geschaffen worden sein. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Vorschrift wird man nicht fordern können, dass der Raum, der als Schutzraum geschaffen wurde, zusätzlich errichtet sein muss. Als Schutzräume sind auch Räume anzusehen, die beim Bau eines Gebäudes ohnedies entstanden wären, aber für die besonderen Zwecke des Gebäude für die Zivilschutzes usw. ausgebaut wurden. Weitere Voraussetzung ist, dass die Gebäude oder Gebäudeteile den Anforderungen des SchutzBauG bzw. des ZSNeuOG entsprechen. Das ist zwar nicht in § 71 BewG ausdrücklich geregelt; das konnte auch gar nicht geschehen, weil beide Gesetze erst später ergangen sind. Gleichwohl ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 71 BewG, dass die Vergünstigung nicht für Einrichtungen gewährt werden kann, die keinen ausreichenden Bevölkerungsschutz bieten. Der Zweck des Gesetzes fordert es, Schutzräume nur dann zu begünstigen, wenn sie einen ausreichenden Schutz gewähren. Unerheblich ist, wann die Gebäude, Gebäudeteile oder Anlagen errichtet worden sind. Begünstigt sind zB auch Schutzräume in Altbauten, und zwar unabhängig davon, ob sie schon von vornherein oder erst nachträglich geschaffen worden sind. § 71 BewG enthält insoweit keine einschränkende zeitliche Regelung.
Rz. 5
Die Gebäude, Gebäudeteile und Anlagen dürfen im Frieden nicht für andere Zwecke benutzt werden. Eine nur gelegentliche oder geringfügige Benutzung für andere Zwecke ist jedoch unschädlich. Die Einrichtungen sollen jederzeit einsatzbereit sein. Alles, was dem in nennenswerter Weise entgegensteht, schließt die Vergünstigung aus. Eine nur gelegentliche Nutzung für andere Zwecke liegt zB vor, wenn in einem für die begünstigten Zwecke geschaffenen Raum von Zeit zu Zeit Versammlungen oder andere Veranstaltungen abgehalten werden, zu deren Durchführung der Raum nicht besonders hergerichtet zu werden braucht. Eine geringfügige Benutzung für andere Zwecke liegt zB vor, wenn in einem Schutzraum Gartengeräte, Fahrräder oder dergleichen abgestellt werden. Anders ist es jedoch dann, wenn Schutzräume ständig anderen Zwecken, zB als Lager-, Lehr- oder Ausbildungsräume, dienen. Ob eine N...