Prof. Dr. Franz Jürgen Marx
Schrifttum:
Bick, Grundsteuererlass für einen denkmalgeschützten Wasserturm, juris-PR-BVerwG 16//2015, Anm. 5; Eisele, Grundsteuerreform: Anwendung des Grundsteuergesetzes ab 1.1.2025 – Koordinierte Ländererlasse v. 22.6.2022, NWB 2022, S. 2190; Eisele/Wiegand, Grundsteuerreform 2022/2025, Herne 2020; Feldner, Die Befreiung von der Grundsteuer nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG, DStR2018, 1749; Geiger, GrStG, Kommentar, Loseblatt, München; Grootens, Grundsteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., Herne 2022; Haase/Jachmann, Beck’sches Handbuch Immobiliensteuerrecht, 2. Aufl., München 2020; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 7. Aufl., München 2015; Hubert, Die Anwendung des Grundsteuergesetzes ab 1.1.2025, StuB 2022, 681; Hubert, Erlass der Grundsteuer in bestimmten Fällen, StuB 2023, 25; Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Loseblatt, Köln; Löhr, Entwurf zum Grundsteuer-Reformgesetz, DStR 2019, 1435; Mannek, Die große Grundsteuer-Reform 2020, 2020; Marx, Update zur Grundsteuerreform, DStZ 2019, 687; Nenstiel, Der Kausalzusammenhang – ein Tatbestandsmerkmal des § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG, KStZ 1993, 41; Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Kommentar, Loseblatt, München; Röttsieper, Der Erlass der Grundsteuer für denkmalgeschützten Grundbesitz nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG, KStZ 1990, 65; Roscher, GrStG, Kommentar (zitiert als Roscher eKomm); Roscher, GrStG-Kommentar, Erstkommentierung zum reformierten Grundsteuergesetz mit Bewertungsrecht v. 26.11.2019, Freiburg 2020 (zitiert als Roscher, GrStG-Reform); Schauhoff/Kirchhain, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 4. Aufl., München 2023; Scheffler/Hey, Aktuelle Fragen der Grundsteuerreform: Wirkungen und Gesetzgebungskompetenz, IFSt-Schrift Nr. 530, Berlin 2019; Scheffler/Roith, Leitlinien für eine Reform der Grundsteuer, IFSt-Schrift, Nr. 526, Berlin 2018; Stahlschmidt, Der Erlaß der Grundsteuer nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG, KStZ 2000, 146.Scherf, Öffentliche Finanzen, Stuttgart 2009; Schmehl, Kritische Bestandsaufnahme der Grundsteuer, in Wieland (Hrsg.), Kommunalsteuern und -abgaben, DStJG Band 35, Köln 2012, 249; Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., Köln 2018; Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., München 2021.
A. Grundaussagen der Vorschrift
I. Überblick über die Erlasstatbestände
Rz. 1
Mit § 32 GrStG beginnt der vierte Abschnitt des GrStG, der verschiedene Erlasstatbestände regelt, die als Spezialregelungen Vorrang vor den allgemeinen Billigkeitsregelungen der §§ 163, 227 AO haben, deren Anwendung jedoch nicht ausschließen. Der Gesetzgeber versteht die reformierte Grundsteuer weiterhin als eine Sollertragsteuer, die an den Grundbesitz mit der Möglichkeit einer ertragbringenden Nutzung und damit an eine Leistungsfähigkeit anknüpft. Als Objektsteuer stellt die Grundsteuer nicht auf die tätsächliche wirtschaftliche Ertragslage des Grundbesitzes ab. Bewertungsverfahren dienen vielmehr der typisierten Ermittlung eines Sollertrags. Ist die Ertragsfähigkeit im Einzelfall nicht gegeben, zieht dies nicht automatisch eine niedrigere Festsetzung nach sich. Es bedarf daher bestimmter Sondertatbestände, mit denen die erwünschte Reduzierung der Belastung gezielt gesteuert werden kann. § 32 GrStG durchbricht die das Grundsteuergesetz beherrschende, dem Charakter der Grundsteuer als einer ertragsunabhängigen Objektsteuer Rechnung tragende Regel, dass für jeden Grundbesitz, rentabel oder nicht, Grundsteuer zu entrichten ist. Die Vorschrift ist ohne Bedeutung, soweit der Steuergegenstand nach §§ 3 ff. GrStG von der Steuer befreit ist, sodass die praktische Relevanz vor allem dort besteht, wo die Steuergegenstände nicht den nach § 3 GrStG begünstigten Personen zuzurechnen sind oder nicht die engen Nutzungsvoraussetzungen des § 4 GrStG erfüllt werden.
§ 32 GrStG sieht in Abs. 1 Nr. 1 u. 2 und Abs. 2 in abschließender Regelung drei Tatbestandsgruppen vor, die jeweils einen Rechtsanspruch auf Voll- oder Teilerlass der Grundsteuer begründen. Es bedarf eines Antrags des Steuerpflichtigen. Eine Ermessensentscheidung liegt nicht vor. Der Antragsteller ist kein Bittsteller, sondern macht einen gesetzlich verankerten Anspruch geltend. Die Gemeinde entscheidet in eigener Zuständigkeit ohne Bindung an Bestätigungen der Landesbehörden über die Objekteigenschaft. An die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen sind aufgrund der aus der Begünstigung resultierenden Steuerausfälle strenge Anforderungen zu stellen.