A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 1
Die Gesetzesbegründung zu § 8 GrStG lautet:
"... Übereinstimmend mit dem bisherigen Recht wird hier geregelt, wie die Befreiungsvorschriften der §§ 3 und 4 GrStG des Entwurfs anzuwenden sind, wenn bei einem Grundstück begünstigte und nichtbegünstigte Zwecke zusammentreffen. Für Grundbesitz, der begünstigten Zwecken, gleichzeitig aber auch Wohnzwecken oder land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dient, gehen allerdings die Vorschriften der §§ 5 und 6 GrStG des Entwurfs vor ..."
Rz. 2
Dient ein Grundbesitz oder ein Teil des Grundbesitzes sowohl steuerbegünstigten Zwecken als auch anderen Zwecken, greift der Tatbestand des § 8 GrStG ein. Dient ein Grundbesitz sowohl steuerbegünstigten Zwecken i.S.v. §§ 3, 4 GrStG als auch anderen Zwecken und wird für die steuerbegünstigten Zwecke ein räumlich abgegrenzter Teil des Grundbesitzes benutzt, so ist nur dieser Teil befreit, § 8 Abs. 1 GrStG. Ist dagegen eine räumliche Abgrenzung einer Benutzung für die verschiedenen Zwecke nicht möglich, so ist für die Frage der Steuerpflicht oder Steuerfreiheit auf den ganzen Grundbesitz bzw. Teil des Grundbesitzes abzustellen, § 8 Abs. 2 GrStG.
Rz. 3
Die Regelung des § 8 GrStG betrifft die zweite Stufe des grundsteuerrechtlichen Besteuerungsverfahrens. Dabei wird der Steuermessbetrag durch Anwendung der Steuermesszahl auf den Einheitswert bzw. seinen steuerpflichtigen Teil ermittelt, vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 GrStG. Die Entscheidung über den grundsteuerbefreiten Anteil des Grundbesitzes erfolgt somit nicht bereits im Rahmen des Steuermessbetragsverfahrens.
Rz. 4
Für die Frage der Steuerpflicht oder Steuerfreiheit ist somit der Zweck entscheidend, dem der Grundbesitz bzw. Teil des Grundbesitzes dient. Insoweit bedarf es grundsätzlich zunächst der Klärung, welcher konkrete Zweck der Nutzung des Grundbesitzes im Einzelnen vorliegt.
Rz. 5
Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung müssen jeweils an dem Stichtag erfüllt sein, der für die Veranlagung der Grundsteuer maßgebend ist, sog. Veranlagungszeitpunkt. Dies ist der Beginn des Kalenderjahres, § 9 Abs. 1 GrStG. Maßgebend sind somit allein die tatsächlichen Verhältnisse an diesem Stichtag. Es ist unerheblich, ob die ursprünglich bestehenden Verhältnisse im Laufe des Kalenderjahres wegfallen bzw. bereits zum Stichtag ihr Wegfall im Verlauf des anschließenden Kalenderjahrs absehbar ist. Bei der im Rahmen des § 8 Abs. 2 GrStG erforderlichen Gewichtung von Mischnutzungen ist dagegen auf das Kalenderjahr, das der Veranlagung vorangeht, abzustellen.
Rz. 6
Eine gleichzeitige Anwendung der § 8 Abs. 1 GrStG und § 8 Abs. 2 GrStG schließt sich gegenseitig aus (Exklusivität). Maßgeblicher Ausgangspunkt für den jeweiligen Anwendungsbereich ist, ob im Einzelfall ein für steuerbegünstigte Zwecke räumlich abgrenzbarer Teil des betrachteten Grundbesitzes als Steuergegenstand vorliegt. Insoweit stellt § 8 Abs. 2 GrStG gegenüber dem vorrangigen § 8 Abs. 1 GrStG einen subsidiären Befreiungstatbestand dar.
Rz. 7
Im Einzelfall kann sich aus Sicht des Steuerpflichtigen für seinen Grundbesitz der Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 GrStG als die günstigere Alternative darstellen. Eine Steuerbefreiung gemäß § 8 Abs. 2 GrStG führt dazu, dass der gesamte Steuergegenstand der Befreiung unterliegt, während § 8 Abs. 1 GrStG lediglich den der Grundsteuerbefreiung unterliegenden abgrenzbaren Teil des Grundbesitzes für die Steuerbefreiung berücksichtigt.
Rz. 8
Der Regelung des § 8 GrStG zur teilweisen Benutzung von Grundbesitz für steuerbefreite Zwecke gehen die Sonderregelungen der §§ 5, 6 GrStG vor. Im Fall der Nutzung zu Wohnzwecken bzw. als Wohnung sowie einer landwirtschaftlichen Nutzung enthalten die §§ 5, 6 GrStG eine die Grundsteuerbefreiung ausschließende und abschließende Regelung, womit ein weiterer Rückgriff auf § 8 GrStG ausgeschlossen ist. Insoweit kommt es daher auch nicht darauf an, ob ein räumlich abgegrenzter steuerbegünstigter Teil des Grundbesitzes bzw. eine überwiegende Nutzung vorliegt.
Rz. 9
Ebenfalls unerheblich sind Ausmaß und Intensität einer auf dem Grundbesitz ausgeübten landwirtschaftlichen Betätigung. Eine Ansicht, der zufolge eine nach §§ 3, 4 GrStG an sich eintretende Steuerbefreiung nur ausgeschlossen sei, wenn und soweit die landwirtschaftliche Nutzung des Grundbesitzes eine bestimmte Intensität überschreitet, lässt sich der Regelung des § 6 GrStG nicht entnehmen. Anders als § 8 Abs. 2 GrStG, der bei teilweiser Benutzung eines Steuergegenstands für einen nach §§ 3, 4 GrStG begünstigten Zweck auf dessen Überwiegen abstellt, tritt jede land- und forstwirtschaftliche Mitbenutzung aufgrund des insoweit spezielleren § 6 GrStG zurück. Das Eingreifen der Sperrwirkung hängt nicht davon ab, dass die anderweitige Nutzung des Grundbesitzes eine absolut oder relativ festgelegte Mindestgrenze übersteigt. Befreiungsschädlich ist vielmehr jede Form der land- und for...