BMF, Schreiben v. 5.5.2000, IV C 6 - S 2775 - 9/00, BStBl I 2000, 487
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur steuerlichen Behandlung der Schadenrückstellungen Folgendes:
I. Allgemeine Grundsätze
Die Schadenrückstellungen sind von den Versicherungsunternehmen für die voraussichtlich nach dem Abschlussstichtag entstehenden Aufwendungen zur Regulierung der Schäden zu bilden, die bis zum Abschlussstichtag zwar eingetreten oder verursacht, aber noch nicht abgewickelt worden sind. Es handelt sich hierbei um Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten i.S. des § 249 HGB, für deren Bewertung § 341 g HGB besondere Regelungen enthält. Nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz § 5 Abs. 1 EStG) gelten insoweit die handelsrechtlichen Regelungen auch für die steuerliche Gewinnermittlung. Die steuerlichen Vorschriften über die Bewertung von Rückstellungen sind zu befolgen § 5 Abs. 6 EStG).
Der Jahresabschluss hat unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu vermitteln § 264 Abs. 2 HGB). Vernünftiger kaufmännischer Beurteilung entspricht es dabei, den rückstellungsbegründenden Sachverhalt nicht nur in seinen negativen Aspekten zu erfassen, sondern auch die positiven Merkmale zu berücksichtigen, die die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme mindern oder gar aufheben, weil der Kaufmann insoweit wirtschaftlich und rechtlich nicht belastet wird (BFH-Urteil vom 17.2.1993, X R 60/89, BStBl 1993 II S. 437).
Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 17.2.1993, a.a.O.) ist für die Bewertung von Rückstellungen auch auf die Erfahrungen der Vergangenheit zurückzugreifen. Dies gilt insbesondere für Schadenrückstellungen, da sich insoweit aus bereits erfolgten Schadenabwicklungen Erkenntnisse für die wahrscheinliche Inanspruchnahme aus noch nicht abgewickelten Schadenfällen gewinnen lassen. Auf § 6 Abs. 1 Nr. 3 a Buchstabe a EStG wird verwiesen.
Nach dem sowohl im Handelsrecht als auch im Steuerrecht geltenden Grundsatz der Einzelbewertung muss zunächst jedes einzelne Wirtschaftsgut und jede einzelne Verbindlichkeit für sich bewertet werden, d.h. für die Schadenrückstellung: Es muss das objektive Risiko des einzelnen Schadenfalles im Blick auf die voraussichtliche tatsächliche Inanspruchnahme möglichst zutreffend geschätzt werden. Dieses Erfordernis zwingt jedoch dazu, in einem zweiten Schritt die Erfahrung aus der Vergangenheit in der Summe der Fälle eines bestimmten Versicherungszweigs in die Bewertung mit einzubeziehen, da nur in der Gesamtbetrachtung die Folgen, z.B. der Abwehrbemühungen der Versicherungsunternehmen oder des Auftauchens gestohlener Gegenstände usw., auf ihre Auswirkung für die zukünftige Inanspruchnahme aus Schadenfällen beurteilt werden können. Eine zusammengefasste Bewertung auf der Grundlage eines Gesamtbestandes wird nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 22.11.1988, VIII R 62/85, BStBl 1989 II S. 359) verlangt, wenn aus einem Gesamtbestand gleichartiger Verbindlichkeiten ein bestimmter Anteil nicht erfüllt werden muss, diese Verbindlichkeiten aber individuell nicht bestimmt werden können. Gleiches muss gelten, wenn die Verbindlichkeiten zwar individuell erfasst, aber hinsichtlich ihres Risikos nur in ihrer Summe aufgrund einer Gesamtbetrachtung zutreffend bestimmt werden können. Dieser Umstand erfordert dann keine Gruppenbewertung, sondern lediglich einen pauschalen Abschlag auf den im Übrigen einzelbewerteten Gesamtbestand der Verbindlichkeiten eines Versicherungszweigs.
II. Gesetzliche Klarstellung
Durch Artikel 5 Nr. 5 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl 1999 I S. 402, BStBl 1999 I S. 304) ist in § 20 Abs. 2 KStG geregelt worden, dass bei der Bewertung der Schadenrückstellungen die Erfahrungen im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 a Buchstabe a EStG für jeden Versicherungszweig zu berücksichtigen sind, für den nach aufsichtsrechtlichen Vorschriften eine gesonderte Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen ist. Die Summe der einzelbewerteten Schäden des Versicherungszweigs ist danach um den Betrag zu mindern, der wahrscheinlich insgesamt nicht zur Befriedigung der Ansprüche für die Schäden benötigt wird.
Nach § 54 Abs. 8 c KStG ist die Vorschrift des § 20 Abs. 2 KStG auch auf Veranlagungszeiträume vor 1999 anzuwenden. Ein sich aus dem Minderungsbetrag ergebender Mehrgewinn ist nicht nach § 52 Abs. 16 Satz 10 EStG zu verteilen.
III. Ermittlung des Minderungsbetrags im Sinne des § 20 Abs. 2 KStG
Zur Ermittlung des pauschalen Abschlags bei der Bewertung der Schadenrückstellungen (Minderungsbetrag) werden die Erkenntnisse aus der Vergangenheit für die einzelnen Versicherungszweige mit Hilfe einer so genannten Ablaufverprobung überprüft. Die Ablaufverprobung ist grundsätzlich nach Bilanzjahren vorzunehmen.
Alternativ kann eine Ablaufverprobung nach Schadenanfalljah...