Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Heilbehandlungen und damit zusammenhängende Leistungen sind unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Nachdem der BFH 2017 entschieden hatte, dass medizinische Analysen, die von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor außerhalb der Praxisräume eines praktischen Arztes durchgeführt werden, nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, nicht aber nach Buchst. a der Vorschrift steuerfrei sein können, musste er dies nach einer Entscheidung des EuGH 2019 wieder zurücknehmen.
Die Unterscheidung in die Steuerbefreiungsmöglichkeiten des § 4 Nr. 14 Buchst. a und Buchst. b UStG ist wichtig, da die in Buchst. a enthaltene Befreiungsmöglichkeit für "Heilbehandlung von Ärzten und vergleichbaren Berufsgruppen" nicht von einer bestimmten Rechtsform oder Anerkennung als bestimmte Einrichtung abhängig ist. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG setzt dem entgegen als "Krankenhausbehandlung" eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, damit vergleichbare zugelassene Krankenhäuser oder eine bestimmte begünstigte Einrichtung voraus.
2019 hatte der BFH auf der Grundlage des Urteils des EuGH entschieden, dass medizinische Analysen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik auch nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei sein können.
Entgegen der bis dahin vertretenen Rechtsauffassung hatte der BFH festgestellt, dass das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient keine Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer Tätigkeit im Rahmen einer Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG ist.
Die Finanzverwaltung ändert den UStAE in Abschn. 4.14.1 Abs. 1 UStAE und stellt fest, dass § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG sich auf Leistungen bezieht, die in Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, die mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art erbracht werden. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG betrifft dagegen Leistungen, die außerhalb von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen, z. B. in Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erbracht werden. In Abschn. 4.14.5 Abs. 9 UStAE wird jetzt – entgegen der bisher vertretenen Auffassung – klargestellt, dass auch medizinische Analysen klinischer Chemiker und von Laborärzten sowohl nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG als auch nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG steuerfrei sein können, sofern die Leistungen im Rahmen einer Heilbehandlung erbracht werden.
Konsequenzen für die Praxis
Eine notwendige und überfällige Anpassung des UStAE durch die Finanzverwaltung. Die erweiterten Möglichkeiten der Steuerbefreiung für medizinische Analysen sind damit auch von der Finanzverwaltung anerkannt.
Die Grundsätze aus der Rechtsprechung des BFH aus 2019 sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber für Leistungen bis zum 31.12.2023 nicht, wenn solche Leistungen steuerpflichtig behandelt werden, soweit nicht die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. bb oder cc UStG vorliegen sollte.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 10.10.2023, III C 3 – S 7170/20/10002 :001, BStBl 2023 I S. 1794