Kommentar
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Frage, welche Steuerbefreiung bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Zahnersatz anzuwenden ist. Der Kläger, ein luxemburgischer Unternehmer, stellte Zahnersatz für Kunden in Deutschland her und lieferte die Gegenstände nach Deutschland. Er war der Auffassung, diese innergemeinschaftliche Lieferung berechtige ihn in Luxemburg zum Vorsteuerabzug für die Eingangsumsätze zur Herstellung des Zahnersatzes. Die luxemburgische Finanzbehörde wollte stattdessen die Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie für inländische Lieferungen anwenden, die im Gegensatz zu der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen für die entsprechenden Eingangsumsätze des Unternehmers den Vorsteuerabzug ausschließt.
Die luxemburgische Finanzbehörde war der Auffassung, dass die Steuerbefreiung für inländische Lieferungen der Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung wie der des Ausgangsfalles vorgeht, so dass der Unternehmer kein Recht auf Vorsteuerabzug besitzt. Das Vorlagegericht fragte, welcher Befreiungsregelung in einem solchen Fall der Vorrang zu geben ist (Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. e oder Artikel 15 Nrn. 1 und 2 der 6. EG-Richtlinie in der bis zum 31.12.1992 geltenden Fassung für Ausfuhrlieferungen bzw. Artikel 28c Teil A Buchst. a der 6. EG-Richtlinie in der ab 01.01.1993 geltenden Fassung für innergemeinschaftliche Lieferungen).
Die Frage des Anwendungsverhältnisses zwischen einer Steuerbefreiung für Inlandsumsätze und einer Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen bzw. Ausfuhrlieferungen war bereits Gegenstand der Erörterungen des Mehrwertsteuerausschusses in Brüssel. Eine große Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten ist der Auffassung, dass die in Artikel 13 der 6. EG-Richtlinie aufgeführten Befreiungen (die das Recht auf Vorsteuerabzug ausschließen) auch dann gelten, wenn die betreffenden Gegenstände aus dem Mitgliedstaat des Lieferers in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert werden und im Bestimmungsmitgliedstaat Gegenstand eines innergemeinschaftlichen Erwerbs im Sinne von Artikel 28a der 6. EG-Richtlinie sind. Ein solcher innergemeinschaftlicher Erwerb werde nach Artikel 28c Teil B Buchst. a der 6. EG-Richtlinie befreit. Nach deutscher Auffassung (vgl. Abschnitt 204 Abs. 4 UStR) geht in einem solchen Fall die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen vor.
Im Vorlagefall ging es um Dienstleistungen, die Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausübung erbringen sowie um Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker. Diese Umsätze sind (als Umsätze im Inland) nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie steuerbefreit. Die Mitgliedstaaten können nach Artikel 28 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Anhang E Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie diese Umsätze (weiterhin) besteuern. Hiervon macht die Bundesrepublik Deutschland für Lieferungen oder Wiederherstellungen von Zahnprothesen, soweit sie der Unternehmer in seinem Unternehmen hergestellt oder wiederhergestellt hat, Gebrauch. Diese Umsätze unterliegen in Deutschland dem ermäßigten Steuersatz (soweit es sich um Leistungen der Zahnärzte handelt). Gleiches gilt für Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker (§ 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG).
Der EuGH hat entschieden, ein Umsatz, der nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie befreit ist, eröffnet ungeachtet der im Bestimmungsmitgliedstaat anwendbaren Mehrwertsteuerregelung kein Recht auf Vorsteuerabzug, selbst wenn es sich um einen innergemeinschaftlichen Umsatz handelt.
Zum einen begründet der EuGH dies mit dem Argument, das Gemeinschaftsrecht sehe nur in Ausnahmefällen einen Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen vor. Folglich müsse dieses Vorsteuerabzugsrecht eng ausgelegt werden. Weiterhin hebt der EuGH auf das Neutralitätsprinzip ab. Ein Unternehmer, der aufgrund steuerfreier Ausgangsumsätze kein Vorsteuerabzugsrecht besitzt, könne dieses Recht auch nicht haben, wenn der betreffende Eingangsumsatz eine innergemeinschaftliche Lieferung ist. Ansonsten käme die Eingangsleistung bei dem Unternehmer vollständig entlastet an.
Der EuGH hat nicht gelten lassen, dass in Fällen wie denen des Ausgangsfalles Abnehmer von Zahnersatz in Deutschland (z.B. Dentisten oder Zahnärzte, die diese Bezüge für ihre eigenen Leistungen weiter verwenden) bei Bezügen aus einem anderen Mitgliedstaat im Vergleich zu Bezügen von einem inländischen Lieferanten schlechter gestellt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Deutschland die in Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie normierte Steuerbefreiung nicht anwendet. Der EuGH stellt fest, dass die Anwendbarkeit der Übergangsregelung gemäß Artikel 28 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Anhang E Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie die Gewährung des Vorsteuerabzugs für die innergemeinschaftliche Lieferung des Zahnersatzes nicht rechtfertigt. Insoweit sei das Mehrwertsteuersystem noch nicht harmonisiert und die...