Sachverhalt
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des Regeringsrätten (Schweden) ging es um die Frage, ob die im Rahmen von Aktienneuemissionen übernommene Verpflichtung zur Übernahme nicht gezeichneter Aktien des Emittenten (sog. "underwriting") einen steuerfreien Umsatz darstellt. Im Ausgangsfall verpflichteten sich zwei einer schwedischen Mehrwertsteuergruppe angehörende Unternehmen gegenüber Aktiengesellschaften, die die Ausgabe neuer Aktien planten, zur Übernahme der nicht innerhalb der Zeichnungsfrist gezeichneten Aktien. Für diese Garantie der vollständigen Platzierung erhielten die Unternehmen von den Aktiengesellschaften Vergütungen in Form von Provisionen. Nach Ansicht der schwedischen Steuerbehörden handelt es sich bei der Stellung einer solchen Bankgarantie um eine gesonderte steuerpflichtige Dienstleistung. Die im schwedischen Mehrwertsteuerrecht vorgesehenen Steuerbefreiungen für Bank- und Finanzdienste, Wertpapierhandel sowie Versicherungs- und Rückversicherungsdienste hielten die schwedischen Steuerbehörden für nicht anwendbar. Das vorlegende Gericht fragte den EuGH allgemein, ob die hier zu beurteilenden Dienstleistungen nach den in Art. 13 Teil B der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 135 Abs. 1 MwStSystRL) genannten Steuerbefreiungen von der Mehrwertsteuer befreit sind.
Entscheidung
Nach dem Urteil handelt es sich bei der Garantie um einen Umsatz, der sich auf Aktien bezieht, im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL) handelt. Darunter fallen nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH Umsätze, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen und somit eine Änderung der rechtlichen und finanziellen Lage zwischen den Parteien bewirken (EuGH, Urteil v. 13.12.2001, C-235/00, CSC Financial Services). Der EuGH hat diese Rechtsprechung insoweit erweitert, als er davon ausgeht, dass auch durch die Verpflichtung zur Übernahme der nicht innerhalb der Zeichnungsfrist gezeichneten Aktien Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf die Aktien in diesem Sinne begründet, geändert oder beendet werden könnten, mit der Folge, dass es sich um einen steuerfreien Umsatz, der sich auf Aktien bezieht, handelt. Der EuGH hat die Dienstleistung also als einen steuerfreien Finanzumsatz im Geschäft mit Wertpapieren angesehen.
Hinweis
Insofern als der EuGH bereits zu einer Steuerbefreiung für Umsätze mit Wertpapieren gekommen ist, musste er nicht mehr prüfen, ob die Verpflichtung zur Aktienübernahme ggf. einen Versicherungsumsatz im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL) darstellt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist das Wesen eines Versicherungsumsatzes, dass der Versicherer sich verpflichtet, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie beim Eintritt des Versicherungsfalls die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen (EuGH, Urteil v. 25.2.1999, C-349/96, Card Protection Plan). Weitere Voraussetzung ist eine Vertragsbeziehung zwischen dem Erbringer der Versicherungsdienstleistung und der Person, deren Risiken von der Versicherung gedeckt werden, d. h. dem Versicherten (EuGH, Urteil v. 8.3.2001, C-240/99, Skandia). Die durch den Versicherer zu erbringende Leistung muss nicht in einer Geldzahlung bestehen, sondern kann auch eine Sach- oder Naturalleistung darstellen (vgl. EuGH, Urteil v. 7.12.2006, C-13/06, Kommission / Griechenland). Vor diesem Hintergrund hätte einiges dafür gesprochen, auch die Verpflichtung zur Übernahme von Aktien zur Deckung des Risikos unvollständiger Zeichnung als steuerfreien Versicherungsumsatz im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL) anzusehen.
Der EuGH musste auch nicht mehr prüfen, ob die Verpflichtung zur Aktienübernahme als ggf. "Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien" im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) anzusehen ist. Der Begriff "Verbindlichkeiten" in dieser Vorschrift bezieht sich nach der Rechtsprechung des EuGH aber nur auf Geldverbindlichkeiten (EuGH, Urteil v. 19.4.2007, C-455/05, Velvet & Steel). Im Ausgangsfall ging es jedoch um die Verpflichtung zur Übernahme von Aktien, was eine Dienstleistungsverpflichtung darstellt und somit an sich gegen die Anwendbarkeit dieser Befreiungsvorschrift spricht.
Nach deutsche Umsatzsteuerrecht dürfte mit dem Urteil in Einklang stehen. Nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG fallen sonstige Leistungen wie die des Ausgangsfalls unter die Steuerbefreiung für Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren. Die Steuerbefreiung umfasst nicht nur den Wertpapierhandel selbst, sondern auch andere Leistungen "im Geschäft mit" Wertpapieren. Dazu gehören auch die sonstigen Leistungen im Emissionsgeschäft, z.B. die Übernahme und Platzierung von Neu-Emissionen, die Börseneinf...