Die gesetzliche Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung ergibt sich aus § 149 AO i. V. m. dem jeweiligen Einzelsteuergesetz. Die daraus resultierende Abgabepflicht wird vom Verhalten der Finanzbehörde nicht beeinflusst. In bestimmten Fällen wird das Finanzamt allerdings nur auf Antrag tätig.
Dazu gehört insbesondere die Arbeitnehmerveranlagung, soweit nicht nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG ein Tatbestand der Pflichtveranlagung erfüllt ist. Für den Antrag, der in Form der ESt-Erklärung einzureichen ist, ist keine Antrags-, sondern nur die 4-jährige Festsetzungsfrist zu beachten. Diese beginnt mangels Erklärungspflicht gem. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des betreffenden Veranlagungszeitraums.
Abgabefrist bei der Pflichtveranlagung: Differenzierung zwischen Nichtberatenen und Beratenen
Nicht beratene Steuerpflichtige haben die Steuererklärung spätestens 7 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres abzugeben. Eine Fristverlängerung ist nach § 109 Abs. 1 AO zulässig und steht im Ermessen des Finanzamts. Für – auch durch Lohnsteuerhilfevereine – Beratene gibt es eine großzügige gesetzliche Fristverlängerung. Sie haben für ihre Steuererklärungen, vorbehaltlich einer "Vorabanforderung" oder einer "Kontingentierung", Zeit bis zum letzten Tag des Monats Februar des Zweitfolgejahres. Eine Fristverlängerung über diese Frist hinaus kommt gem. § 109 Abs. 2 AO nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. In eigenen Angelegenheiten besteht für Angehörige der steuerberatenden Berufe dieses "Beraterprivileg" nicht.
Die "gesetzliche Fristverlängerung" wird zur Gewährleistung eines fristgerechten und kontinuierlichen Erklärungseingangs von strengen Regelungen zum Verspätungszuschlag begleitet.
Coronabedingte Fristverlängerungen bis Veranlagungszeitraum 2024
Nachdem durch das ATADUmsG v. 25.6.2021 die Steuererklärungsfristen für 2020 bereits allgemein um 3 Monate verlängert worden waren, brachte das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz v. 19.6.2022 hierfür noch einmal eine zusätzliche Verlängerung um 3 Monate. Darüber hinaus kam es auch für die weiteren Veranlagungszeiträume bis 2024 zu Erleichterungen. Es gelten bis dahin – abweichend von den Regelungen in § 149 Abs. 2 und 3 AO – folgende Abgabefristen (ohne Besonderheiten bei Land- und Forstwirtschaft), ggf. unter Berücksichtigung des § 108 Abs. 3 AO:
Beratene Fälle
VZ 2020 bis 31.8.2022 = + 6 Monate
VZ 2021 bis 31.8.2023 = + 6 Monate
VZ 2022 bis 31.7.2024 = + 5 Monate
VZ 2023 bis 31.5.2025 = + 3 Monate
VZ 2024 bis 30.4.2026 = + 2 Monate
Nicht beratene Fälle
VZ 2020 bis 31.10.2021 = + 3 Monate
VZ 2021 bis 31.10.2022 = + 3 Monate
VZ 2022 bis 30.9.2023 = + 2 Monate
VZ 2023 bis 31.8.2024 = + 1 Monat
Die Verlängerung der Abgabefristen wird also schrittweise wieder zurückgenommen. Ab VZ 2025 (beratene Fälle) bzw. VZ 2024 (nicht beratene Fälle) kommen dann wieder die ursprünglichen Fristen zum Zuge.
Entsprechende Berücksichtigung finden die Auswirkungen der verlängerten Abgabefristen auf die Regelungen des Verspätungszuschlags (Übergang vom "Kann-" zum "Muss"-Fall nach § 152 Abs. 2 AO) und die Vollverzinsung des § 233a AO (zinsfreie Karenzeit).
Zeitlich unmittelbar an das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz anknüpfend hat das BMF ausführlich zu den mit den neuen Fristenregelungen verbundenen Anwendungsfragen Stellung genommen.
Gibt der Steuerpflichtige entgegen seiner Verpflichtung die Erklärung nicht ab, kann nach § 328 AO die Abgabe durch ein Zwangsgeld erzwungen werden.
Allerdings kann das Finanzamt gem. § 162 AO auch sofort zur Schätzung übergehen. Diese setzt weder einen Versuch der Erzwingung voraus, noch wird durch sie die Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung berührt.
Die Abgabe der Steuererklärung in Papierform ist trotz fortschreitender Digitalisierung nach wie vor möglich, es sei denn, es ist die elektronische Form vorgeschrieben. Letzteres ist bei der ESt-Erklärung nur der Fall, wenn Gewinneinkünfte erzielt werden und es sich nicht um einen der Veranlagungsfälle gem. § 46 Abs. 2 Nr. 2 bis 8 EStG handelt.
Dies bedeutet, dass Steuerpflichtige mit reinen Überschusseinkünften (also insb. Arbeitnehmer) ihre Erklärung immer noch per Papier abgeben können, egal ob sie beraten sind oder nicht, wobei die Übermittlung auch per Telefax zulässig wäre.
Falls die Erklärung per Papier abgegeben wird, muss dies gem. § 150 Abs. 1 Satz 1 AO nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck erfolgen. In der Formulierung "nach" kommt zum Ausdruck, dass Steuererklärungen nicht auf einem amtlich hergestellten Vordruck abgegeben werden müssen. Zulässig sind daher Vordrucke, die
- mit den von der Steuerverwaltung freigegebenen Druckvorlagen hergestellt worden sind und z. B. in den Finanzämtern zur Mitnahme ausliegen (amtliche Vordrucke),
- auf den Internetseiten der Steuerverwaltung bereitgestellt und ausgedruckt werden (amtliche Internet-Vordrucke) und
- nach dem Muster einer amtlich freigegebenen Druckvorlage – insbesondere durch Steuererklärungssoftware – er...