Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
1. Voraussetzungen für eine Vorbehaltsfestsetzung
Das Finanzamt kann eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen lassen, ohne dass es einer Begründung bedarf. Voraussetzung ist allein, dass der Steuerfall noch nicht abschließend geprüft ist (§ 164 Abs. 1 Satz 1 AO). Wann die abschließende Prüfung vorgenommen wird, ist dem Finanzamt überlassen, d.h. der Steuerpflichtige kann sie grundsätzlich nicht "erzwingen". Selbst im Einspruchsverfahren braucht keine abschließende Prüfung vorgenommen werden, so dass ein infolge des Einspruchs erlassener Änderungsbescheid auch weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen kann.
In der Besteuerungspraxis erfolgt eine Vorbehaltsfestsetzung insbesondere, wenn
- eine Betriebsprüfung vorgesehen ist;
- die Besteuerungsgrundlagen geschätzt wurden und zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige nach Erlass des Schätzungsbescheides die Steuererklärung nachreicht;
- das Finanzamt zunächst erklärungsgemäß veranlagt, mit dem Steuerbescheid jedoch weitere Nachweise oder Unterlagen anfordert.
Der Vorbehalt der Nachprüfung erstreckt sich bei einem Steuerbescheid auf die Steuerfestsetzung. Wird mit der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerfestsetzung eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) verbunden, erstreckt sich der Vorbehalt der Nachprüfung nicht auf den gewährten Billigkeitserweis.
2. Kennzeichnung des Vorbehalts
Verfahrensrechtlich sind drei "Arten" von Vorbehaltsfestsetzungen zu unterscheiden.
- Der vom Finanzamt in einem Steuerbescheid gesetzte Vorbehaltsvermerk, der sich in der Regel aus einer entsprechenden Kennzeichnung im Bescheidkopf ergibt, wirkt solange fort, bis er ausdrücklich aufgehoben wird. Konkret bedeutet dies: Erlässt das Finanzamt einen Erstbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und ergeht danach ein Änderungsbescheid (z.B. wegen einer Folgeänderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO), ohne dass der Vorbehaltsvermerk in den Änderungsbescheid aufgenommen wird, steht die Steuerfestsetzung trotzdem weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, da dieser bislang nicht ausdrücklich aufgehoben wurde.
- Eine Steueranmeldung (Umsatzsteuer-Voranmeldung, Umsatzsteuer-Jahreserklärung oder Lohnsteuer-Anmeldung) führt häufig zu einer bescheidlosen Steuerfestsetzung, die kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht (§ 168 AO). Verfahrensrechtlich ergibt sich hier jedoch die Besonderheit, dass dieser gesetzliche Vorbehalt entfällt, wenn das Finanzamt z.B. nach Eingang der Umsatzsteuererklärung, die zunächst zu einer bescheidlosen Steuerfestsetzung (§ 168 AO) geführt hat, einen Steuerbescheid erlässt (z.B. um einen Fehler aus der Steuererklärung zu korrigieren). Trägt dieser Steuerbescheid keinen Vorbehaltsvermerk, wird der gesetzliche Vorbehalt nach § 168 AO durch diesen vorbehaltslosen Bescheid beseitigt, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufhebung (wie bei Fallgruppe a) bedarf.
- Vorauszahlungsfestsetzungen stehen, unabhängig davon, ob sie durch Steuerbescheid oder bescheidlos nach § 168 AO erfolgt sind, kraft Gesetzes stets unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, d.h. dieser gesetzliche Vorbehalt kann nicht aufgehoben werden.
3. Aufhebung des Vorbehalts
Das Finanzamt kann den Vorbehalt der Nachprüfung jederzeit aufheben, auch wenn es die abschließende Prüfung noch nicht vorgenommen hat (§ 164 Abs. 3 Satz 1 AO). In folgenden Fällen ist es jedoch zur Vorbehaltsaufhebung verpflichtet:
- wenn der Steuerfall abschließend geprüft ist (§ 164 Abs. 1 Satz 1 AO). Dies kann durchaus auch eine abschließende Prüfung durch den Innendienst des Finanzamtes, z.B. durch die Veranlagungs- oder Rechtsbehelfsstelle sein. In jedem Fall ist ein Steuerfall nach einer Betriebsprüfung, einer abgekürzten Außenprüfung (§ 203 AO) sowie nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung abschließend geprüft, so dass das Finanzamt in derartigen Fällen zur weiteren Aufrechterhaltung des Vorbehalts nicht berechtigt ist. Dagegen stellt eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung, die lediglich Teilbereiche abdeckt, keine abschließende Prüfung dar;
- wenn sich nach einer Außenprüfung keine Änderungen gegenüber der Vorbehaltsfestsetzung ergeben (§ 164 Abs. 3 Satz 2 AO).
Betroffene Steuerpflichtige sollten in den vorgenannten Fällen genau darauf achten, dass der Vorbehalt der Nachprüfung tatsächlich entweder mit dem Änderungsbescheid oder gesondert aufgehoben wird. Denn ein trotz abschließender Prüfung nicht aufgehobener Vorbehalt ist zwar rechtswidrig, aber weiterhin wirksam und berechtigt das Finanzamt auch weiterhin zu Änderungen nach § 164 Abs. 2 AO.
4. Wegfall des Vorbehalts
Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt kraft Gesetzes mit Ablauf der regulären vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 164 Abs. 4 AO), ohne dass hierfür eine ausdrückliche Aufhebung erforderlich ist. Kommen bei einer leichtfertigen Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung die verlängerten Festsetzungsfristen (5 Jahre bzw. 10 Jahre) zur Anwendung, ist der Vorbehalt der Nachprüfung hiervon nicht betroffen. N...