Rz. 111
Handelsrechtlich sind Verbindlichkeiten eines Einzelunternehmers zu seinem Geschäftsvermögen zu rechnen, wenn sie durch den Betrieb des Handelsgewerbes verursacht oder von dem Unternehmer als betriebliche Verbindlichkeiten eingegangen worden sind. Beruhen sie auf Rechtsgeschäften des Unternehmers, besteht eine Vermutung dafür, dass sie zum Geschäftsvermögen gehören.
Rz. 112
Die Frage, ob steuerrechtlich eine Verbindlichkeit zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen gehört, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Daher gibt es bei Verbindlichkeiten kein gewillkürtes, sondern nur notwendiges Betriebsvermögen (Rz. 94 ff.).
Rz. 113
Verbindlichkeiten gehören zum Betriebsvermögen, wenn sie mit dem Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen oder zu dem Zweck übernommen wurden, dem Betrieb Mittel zuzuführen. Die Zuordnung einer Verbindlichkeit zum Betriebs- oder Privatvermögen hängt daher von dem Anlass ihrer Entstehung ab. Eine Verbindlichkeit ist dann betrieblich veranlasst, wenn der sie auslösende Vorgang im betrieblichen Bereich liegt.
Rz. 114
Wird zur Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine Verbindlichkeit aufgenommen, so rechnet diese Verbindlichkeit zum notwendigen Betriebsvermögen und ist daher zu bilanzieren. Wird der Anlagegegenstand entnommen, so wird die zur Finanzierung des Wirtschaftsguts aufgenommene betriebliche Verbindlichkeit zu einer privaten Verbindlichkeit.
Rz. 115
Wird umgekehrt ein im privaten Bereich fremd finanzierter Anlagegegenstand in das Betriebsvermögen eingelegt, so wird die private Verbindlichkeit zu einer betrieblichen Verbindlichkeit. Sie muss daher bilanziert werden.
Rz. 116
Wird ein betrieblich genutztes, fremd finanziertes Wirtschaftsgut veräußert oder scheidet es aus anderen Gründen aus dem Betriebsvermögen aus, wird die zur Finanzierung des Wirtschaftsguts aufgenommene Verbindlichkeit insoweit zu einer privaten Verbindlichkeit, als der Veräußerungserlös oder eine andere für das Ausscheiden des Wirtschaftsguts erhaltene Leistung entnommen wird. Das gilt ebenso bei einer Betriebsveräußerung im Ganzen. In diesem Fall bleiben Verbindlichkeiten nur insoweit Betriebsschulden, als der erzielte Veräußerungserlös nicht zur Tilgung der betrieblichen Verbindlichkeiten ausreicht.
Rz. 117
Hat eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft eine Verbindlichkeit unter ihrem Namen aufgenommen, so ist sie handelsrechtlich von ihr zu bilanzieren, da Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften keine private Sphäre haben.
Auch steuerrechtlich rechnet die Verbindlichkeit nach dem Maßgeblichkeitsgrundsatz grundsätzlich zum Betriebsvermögen. Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz hat aber ihre Grenze dort, wo steuerliche Besonderheiten es erfordern. Hiernach rechnet eine Verbindlichkeit nicht zum Betriebsvermögen einer Personengesellschaft, wenn ihre Übernahme nicht betrieblich veranlasst war. Das ist der Fall, wenn es als ausgeschlossen anzusehen ist, dass die Gesellschaft die Verbindlichkeit auch zugunsten eines Fremden aufgenommen hätte.
Eine Personengesellschaft nimmt bei ihrer Hausbank ein Darlehen über 30.000 EUR auf, das durch eine Grundschuld an einem Betriebsgrundstück der Gesellschaft gesichert wird. Die Darlehenssumme wird dem Gesellschafter A zur Verfügung gestellt, der sie zur Finanzierung von Reparaturarbeiten an seinem privaten Einfamilienhaus verwendet. Das Darlehen gehört zum Gesamthandsvermögen der Gesellschaft und handelsrechtlich zu deren Geschäftsvermögen. Steuerrechtlich ist die Verbindlichkeit aber nicht als Betriebsschuld zu behandeln. die Schuldzinsen sind keine Betriebsausgaben.
Rz. 118
Auf der anderen Seite rechnet ein Darlehen, das ein Gesellschafter zur Aufstockung seines Gesellschaftsanteils oder für die Anschaffung eines Wirtschaftsguts verwendet, das er der Gesellschaft zur Nutzung überlässt, zwar handelsrechtlich zum Privatvermögen, steuerrechtlich aber zum Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters (Rz. 104 ff.).