Steuerpflichtige, die in der Vergangenheit umfangreiche Einkünfte im Zusammenhang mit virtuellen Währungen und sonstigen Token erzielt haben, sind gut beraten, die bisherige Erklärungspraxis kritisch zu überprüfen. Angestoßen durch die ersten finanzgerichtlichen Entscheidungen, das BMF-Schreiben vom 10.5.2022 und zuletzt den BMF-Entwurf zu Steuererklärungs-, Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten ist in Zukunft mit einer gesteigerten Sensibilität der Finanzbehörden zu rechnen. Bei Nichtversteuerung ist von einem zunehmenden Entdeckungsrisiko, u.a. aufgrund verbesserter Aufklärungsmöglichkeiten der Finanzbehörden sowie Ermittlungsmöglichkeiten im Ausland durch Auskunftsersuchen an Betreiber von Handelsplattformen (vgl. AirBnB-Fall) zu rechnen. Durch die verlängerten Verjährungsfristen (steuerlich und strafrechtlich) wird sich die Problematik auch nicht so schnell durch Zeitablauf erledigen. Für den Steuerberater ist es unerlässlich, den Mandanten auf das Risiko einer Verfahrenseinleitung und die ggf. bestehende Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige hinzuweisen (ansonsten macht er sich ggf. schadensersatzpflichtig, vgl. OLG Frankfurt v. 1.6.2017 – 17 U 151/16, juris).
Offenlegungsschreiben: In den meisten Fällen bietet es sich an, das Offenlegungsschreiben prophylaktisch so auszugestalten, dass es die Voraussetzungen des § 371 AO erfüllt. Das gilt auch für (scheinbar eindeutige) Fälle des Versehens/Vergessens, also eines undolosen Handelns des Steuerpflichtigen. Denn die subjektive Tatseite kann das FA anders beurteilen. Eine fiskalische Motivation ist dabei häufig der sog. Strafzuschlag nach § 398a AO i.V.m. § 371 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 AO und die verlängerte zehnjährige Festsetzungsfrist. Um beides kann aber nach Abgabe der Erklärung noch immer gestritten werden.
(Vorsorgliche) Selbstanzeige: Auch in Fällen, in denen ein Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 AO vorliegt, ist eine (vorsorgliche) Selbstanzeige grundsätzlich ratsam. Zum einen ist die freiwillige Offenlegung ein beachtlicher Schuldminderungsgrund (vgl. Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rz. 888 [Okt. 2021]). Zum anderen wird insb. in Grenzfällen die Anzeige ggf. als bußgeldbefreiende Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO zu behandeln sein, wenn in subjektiver Hinsicht ein lediglich leichtfertiges Verhalten anzunehmen ist. Dann gilt der weitreichende Katalog der Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO nicht; einziger Sperrgrund ist die Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung.