Leitsatz
1. Die nach § 35b Satz 1 EStG begünstigten Einkünfte müssen aus der Veräußerung eines Vermögensgegenstandes herrühren, der sowohl von Todes wegen erworben worden ist als auch tatsächlich der Erbschaftsteuer unterlegen hat; der in Anspruch genommene persönliche Freibetrag (§ 16 ErbStG) ist anteilig abzuziehen.
2. Die auf die begünstigten Einkünfte anteilig entfallende Einkommensteuer ist nach dem Verhältnis der begünstigten Einkünfte zur Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) zu ermitteln.
3. Beim Zusammentreffen von Erwerben von Todes wegen und Vorerwerben ermittelt sich der Ermäßigungsprozentsatz des § 35b Satz 2 EStG durch Gegenüberstellung der anteiligen, auf die von Todes wegen erworbenen Vermögensteile entfallenden Erbschaftsteuer und des Betrags, der sich ergibt, wenn dem anteiligen steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) der anteilige Freibetrag nach § 16 ErbStG hinzugerechnet wird.
Normenkette
§ 35b, § 17 EStG, § 35 EStG a.F., § 3, § 5, § 10 Abs. 1, § 14, § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 17 ErbStG
Sachverhalt
Der Kläger (zu 49 %) und sein Vater (zu 51 %) gründeten gemeinsam eine GmbH. Der Vater brachte sein Einzelunternehmen in die GmbH ein. Der dem Kläger freigebig zugewandte Teil (388.000 EUR) löste aufgrund des persönlichen Freibetrags keine ErbSt aus.
Im Jahr darauf starb der Vater. Der Kläger erwarb nun von Todes wegen auch noch die restlichen Anteile an der GmbH und hatte unter Berücksichtigung des Vorerwerbs ErbSt zu zahlen.
Im Streitjahr veräußerte der Kläger sämtliche GmbH-Anteile und erzielte daraus einen Veräußerungsgewinn.
Das FA gewährte eine Steuerermäßigung von 4.412 EUR. Das FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 31.5.2017, 2 K 489/16 E, Haufe-Index 11197826, EFG 2017, 1450) gab der Klage teilweise statt und erhöhte die Steuerermäßigung auf 4.616 EUR.
Entscheidung
Auf die Revision des FA hat der BFH das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die richtige Steuerermäßigung betrug im Streitfall nur 1.808 EUR. Wegen des Verböserungsverbots bleibt dem Kläger jedoch die Ermäßigung von 4.412 EUR erhalten. Die Revision des Klägers hatte dagegen keinen Erfolg.
Hinweis
Der BFH hat erstmals entschieden, wie die Steuerermäßigung nach § 35b EStG zu berechnen ist, wenn zu Lebzeiten übertragene und von Todes wegen erworbene GmbH-Geschäftsanteile steuerpflichtig veräußert worden sind.
1.§ 35b EStG soll die Doppelbelastung mit ErbSt und ESt abmildern, die dadurch entsteht, dass Vermögensgegenstände, deren Erwerb bereits ErbSt ausgelöst hat, z.B. im Veräußerungsfall noch einmal anteilige ESt auslösen. Dabei hat der Gesetzgeber keine vollständige Kompensation angestrebt, sondern lediglich eine (im Ergebnis eher symbolisch zu nennende) Abmilderung normiert.
2. Begünstigt ist nur die anteilige ESt, die auf die Veräußerung von Vermögensgegenständen entfällt, die "von Todes wegen" erworben worden sind. Zu Lebzeiten übertragene, insbesondere schenkweise erworbene Vermögensgegenstände haben zwar unter Umständen ebenfalls ErbSt ausgelöst. Die bei ihrer Veräußerung anfallende Doppelbelastung mit ErbSt und ESt wird aber nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift nicht gemildert. Diese Differenzierung hält der BFH für nicht verfassungswidrig. Der sachliche Grund ist, dass der Erwerb unter Lebenden gestaltet werden kann. Der Streitfall verdeutlicht allerdings, dass ein unerwartet früher Tod die beste Gestaltung zu Fall bringen kann.
3. Veräußert der Steuerpflichtige sowohl geschenkte als auch geerbte Anteile, stellt sich die Frage, wie der anteilige Betrag der begünstigten ESt zu berechnen ist, wenn beide Erwerbe in die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage eingeflossen sind. Zum Verständnis sind drei Schritte erforderlich:
a) Der (allein begünstigte) Erwerb von Todes wegen muss tatsächlich ErbSt ausgelöst haben. Ein Erwerb innerhalb des persönlichen Freibetrags nach § 16 ErbStG löst keine Doppelbelastung mit ErbSt und ESt aus und rechtfertigt keine Tarifbegünstigung.
b) Dann stellt sich die Frage, an welcher Stelle bei der Anwendung von § 35b der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG zu berücksichtigen ist, wenn sowohl der Vorerwerb als auch der Erwerb von Todes wegen die Bemessungsgrundlage der ErbSt erhöht haben, etwa vorrangig bei dem nicht begünstigten Erwerb zu Lebzeiten oder anteilig bei beiden?
c) Der BFH hat entschieden, dass der Freibetrag (bei der Anwendung von § 35b EStG) anteilig zu berücksichtigen ist. Er muss also verhältnismäßig aufgeteilt werden. Dies verringert den begünstigten Anteil der tariflichen ESt und letztlich auch den Ermäßigungsbetrag erheblich.
4. Der Ermäßigungsfaktor bestimmt sich in diesem Fall nach dem Verhältnis der anteilig auf die von Todes wegen erworbenen Vermögensteile entfallende ErbSt und dem Betrag, der sich ergibt, wenn dem anteiligen steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) der anteilige Freibetrag nach § 16 ErbStG hinzugerechnet wird. Die Verhältnisrechnung wird also auch bei der Ermittlung des Ermäßigungsprozentsatzes angewandt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.3.20...