OFD Chemnitz, Verfügung v. 16.06.1999, 33-S 2743-4/20-33489
Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der neuen Bundesländer haben am 3. Dezember 1998 steuerliche Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung des DMBilG bei Maßnahmen der THA/BvS erörtert. Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder bitte ich folgende Auffassung zu vertreten:
1. Maßnahmen der THA/BvS im Zusammenhang mit der Abwicklung der ehemaligen staatseigenen Unternehmen
Die Maßnahmen der THA/BvS im Verhältnis zu den zu privatisierenden Gesellschaften sind -ebenso wie von der THA/BvS ausgesprochene Forderungsverzichte und von ihr eingegangene Zuschussverpflichtungen sowie Sozialplan-Zuwendungen der THA/BvS an die Tochtergesellschaften – gesellschaftsrechtlich veranlasst. Die teilweise im Schrifttum vertretene Auffassung (vgl. z. B. Döllerer in DB, Beilage Nr. 11/93), wonach die Maßnahmen der THA/BvS im Verhältnis zu ihren Beteiligungsgesellschaften nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst seien, weil die THA/BvS in Erfüllung eines gesetzlichen Auftrags handele, wird nicht geteilt.
Für eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung sprechen auch § 4 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 und § 25 Abs. 6 DMBilG, die in das DMBilG aufgenommen wurden, um in den dort geregelten Fällen die Annahme von verdeckten Gewinnausschüttungen auszuschließen. Diese Regelungen gehen damit grundsätzlich von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung der Maßnahmen der THA/BvS aus.
Hieraus ergibt sich als weitere Konsequenz, dass die Vergabe von Wertgutachten (Liquiditätsgutachten) durch die Treuhandunternehmen in den Fällen gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, in denen die Ermittlung des Werts der Anteile an den zu privatisierenden Unternehmen Gegenstand der gutachterlichen Stellungnahme ist. Die Vergabe der Wertgutachten erfolgt im Interesse des Gesellschafters (THA/BvS) als Veräußerer. Eine Übernahme der Kosten durch das Treuhandunternehmen führt zu einer verdeckten Gewinnausschüttung.
Dem steht nicht entgegen, dass die Privatisierung im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Auftrags der THA/BvS abgewickelt wurde. So ist eine verdeckte Gewinnausschüttung regelmäßig auch dann anzunehmen, wenn z. B. eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ihr übertragene hoheitliche Aufgaben unentgeltlich von einer Eigengesellschaft wahrnehmen lässt, aber die Kosten dieser Aufgabe von der Eigengesellschaft getragen werden.
Hingegen liegt keine verdeckte Gewinnausschüttung vor, soweit die gutachterliche Stellungnahme die Wertermittlung von Wirtschaftsgütem betrifft, die vom Treuhandunternehmen selbst veräußert werden.
2. Verzicht der THA/BvS auf bestehende Gesellschafterforderungen im Zuge der Privatisierung; Anwendungsbereich des § 36 Abs. 3, 4 und 6 DMBilG
a) Erfolgsneutrale Berücksichtigung in der DM-Eröffnungsbilanz
Der Verzicht auf eine Gesellschafterforderung durch die THA/BvS stellt eine Maßnahme zur nachträglichen Kapitalausstattung der Gesellschaften dar, die erfolgsneutral in der DM-Eröffnungsbilanz berücksichtigt werden kann. Sie gilt nach § 36 Abs. 3 Satz 4 DMBilG als wertaufhellend im Sinne der Absätze l und 2 des § 36 DMBilG. Wertaufhellend in diesem Sinne sind die Wert- oder Bestandsänderungen, die auf Maßnahmen der THA/BvS beruhen.
Diese Auffassung wird durch die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 36 DMBilG im Zweiten Gesetz zur Änderung des DM-Bilanzgesetzes (Drs. 12/7262, Seite 16) gestützt. In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt:
„Ebenso stellen die Umstrukturierungsmaßnahmen der Treuhandanstalt regelmäßig eine Nachholung dar; durch die gesetzliche Umwandlung der Unternehmen in Kapitalgesellschaften mit gleichzeitigem Übergang des Vermögens in das Eigentum der Kapitalgesellschaften gemäß § 11 Treuhandgesetz zum l. Juli 1990 hatte die Treuhandanstalt keine Möglichkeit, die Kapitalgesellschaften zuvor sachgerecht auszustatten; hat die Treuhandanstalt später z. B. einem Unternehmen Kapital zur Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit zugeführt, so war diese Maßnahme zum l. Juli 1990 bereits vorherzusehen. Es soll klargestellt werden, dass alle diese Maßnahmen, die eine Nachholung darstellen, auf die Eröffnungsbilanz zurückwirken, so dass eine ergebnisneutrale Berichtigung möglich ist.”
Unter Berücksichtigung dieses Zwecks der Regelung des § 36 Abs. 3 Satz 4 DMBilG fallen sämtliche Forderungsverzichte der THA/BvS unter § 36 Abs. 3 Satz 4 DMBilG. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob die mit der Gesellschafterforderung korrespondierende Verbindlichkeit bereits in der DM-Eröffnungsbilanz berücksichtigt wurde § 36 Abs. 3 Satz 3 DMBilG).
Eine erfolgsneutrale Korrektur der DM-Eröffnungsbilanz kommt auch für Forderungsverzichte außerhalb der Berichtigungsfrist des § 36 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz l DMBilG in Betracht. Die hier angesprochenen Maßnahmen fallen unter § 36 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 DMBilG. Danach kann die (erfolgsneutrale) Berichtigung in der DM-Eröffnungsbilanz – zeitlich begrenzt – bis zur Durchführung der Maßnahme erfolgen, wenn die Berichtigung auf einer...