a) Relevanz als Voraussetzung
Zwar ist damit die grundlegende Frage entschieden, dass die Daten in ein neues Ermittlungsverfahren überführt werden dürfen, jedoch verbleibt die weiterführende Rechtsfrage, in welchem Umfang bzw. Reichweite auf die Daten des Ausgangsverfahrens zurückgegriffen werden darf.
Beispiel:
A ist Buchführungshelfer und hat der sehr vermögenden Kundin B die Buchführung für Ihre Maklertätigkeit erstellt. Diese Buchführung bildet die Grundlage der Steuererklärung der B. Während der Ermittlungen gegen B ergeben sich Anhaltspunkte, dass A als Teilnehmer durch gezieltes nichtbuchen von Eingangsrechnungen Hilfe zur Steuerhinterziehung der B geleistet haben könnte. In der Ermittlungsakte der B sind auch persönliche Lebensverhältnisse wie Steuerklasse, Angaben zu Kindern und Pflegleistungen der Mutter von B enthalten.
Die Bußgeld- und Strafsachenstellen und die Steuerfahndungen legen zumeist anders als die Staatsanwaltschaften bei neu eröffneten Ermittlungsverfahren eine neue, eigene Ermittlungsakte an. Die besondere Relevanz hierbei entsteht auch durch Schwärzungen bei anzufertigenden Kopien oder dem Herauslassen von ganzen Aktenbestandteilen der Ausgangs-Ermittlungsakte, obgleich die Kopien für das Verständnis der Ermittlung von Relevanz sind. Hierdurch werden neben dem Akteneinsichtsrecht des Verteidigers nach § 147 StPO v.a. auch die Kenntnisnahmebefugnis bzw. Kenntnisnahmeverpflichtung des zuständigen Richters beeinflusst.
Nach hier vertretender Rechtsmeinung sind alle Informationen und Daten in das neue Ermittlungsverfahren zu überführen, die eine Relevanz für das neue Ermittlungsverfahren haben. Eine schematische Entscheidung ist nicht möglich. Vielmehr ist besonders auf den tatbestandlichen Vorwurf abzustellen, bei dem das konkrete Tatgeschehen maßgeblich ist und welche Form der Täterschaft oder Teilnahme erfüllt sein könnte. Diese Entscheidungs-Determinanten implementieren eine Singularität der Entscheidung über die Notwendigkeit der Überführung von geschützten Informationen und Daten.
Besonders die Voraussetzungen der Täterschaft und Teilnahme werden bei der Entscheidung hinsichtlich der Notwendigkeit zur Überführung von Daten wiederholt nicht erkannt oder teilweise sogar missachtet.
b) Mittäterschaft
Bei der zumeist vorliegenden Mittäterschaft i.S.d. § 25 Abs. 2 StGB erfüllen nicht alle Mittäter die tatbestandlichen Voraussetzungen in eigener Person, weshalb ihnen das objektive Verhalten der weiteren Mittäter zugerechnet wird. Dafür ist ein kollusives Zusammenwirken im Zuge eines gemeinsamen Tatplanes der Mittäter notwendig, wobei jeder einzelne eine eigene Tatherrschaft auf das Tatgeschehen haben muss.
Beispiel:
Bei der Baugesellschaft mbH ist der Geschäftsführer A für Bilanzierung und Steuererklärung und B für die Akquise und Abwicklung von Bauprojekten zuständig. Im Zuge der Ermittlungen gegen A stellt sich nicht nur heraus, dass A die Buchführung durch Scheinrechnung manipuliert hat, sondern B in Absprache mit A bereits bei seiner Akquise die Methode der USt-Vergünstigung bei Arbeiten ohne Rechnung und Barzahlung durchgeführt hat; eine Erfassung in der Buchführung fand demzufolge nicht statt.
Damit sind augenscheinlich zunächst alle Informationen und geschützten Daten zu überführen, die bei den Mittätern dieses kollusive Zusammenwirken und seine eigene Tatherrschaft beschreiben und beweisen.
Bei der Bestimmung des kollusiven Zusammenwirkens ist ein zentrales Element, welchen konkreten Anteil der Mittäter am (wirtschaftlichen) Taterfolg erlangt bzw. ihm aufgrund der mittäterschaftlichen Vereinbarung zuzurechnen ist. Dieser Taterfolg ergibt sich bei der Steuerhinterziehung aus der Steuerverkürzung, die – grob zusammengefasst – ein Abgleich zwischen dem steuerlichen Soll und dem steuerlichen Ist darstellt (weiterführend Wenzel, NWB 2019, 879, 881 ff.). Da die Steuerhinterziehung ein Blanketttatbestand ist, wird dieser Taterfolg durch die rechtlich richtige und sachlich vollständige Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen beeinflusst bzw. ermittelt; maßgeblich sind hierbei nicht nur die materiellen Steuervorschriften, sondern auch die formellen Verfahrensvorschriften. Um dieses Besteuerungsergebnis für die Verfahrensbeteiligten strafprozessual vollständig nachvollziehbar zu machen, müssen die besteuerungsrelevanten Angaben mit in allen Ermittlungsakten enthalten sein.
Beachten Sie: Zusammenfassend sind sämtliche Informationen und Daten mit in die neue Ermittlungsakte zu überführen, die strafrechtlich oder steuerrechtlich zur Subsumtion des Strafvorwurfes der Steuerhinterziehung direkt (Tatbestand der Steuerhinterziehung, Täterschaft, Abgrenzung Versuch vs. Vollendung, strafprozessuale Verjährungsfragen usw.) oder indirekt (Subsumtion von formalen und materiellen Steuerrechtsvorschriften als Grundlage der Bestimmung des Taterfolges) notwendig sind. Daher sind auch sämtliche höchstpersönliche Angaben zu überführen, selbst wenn diese Dritte – wie z.B. die zu pflegende Mutter – betreffen, solange ein adäquat kausaler Subsumtionszusammenhang mit ...