Leitsatz
Ein Sachbearbeiter des FA, der durch EDV-Eingaben über Umsätze eines fiktiven Unternehmers die Erstattung von Vorsteuern bewirkt, begeht Steuerhinterziehung auch dann, wenn mangels Kenntnisnahme anderer Bediensteter des FA von den betreffenden Arbeitsvorgängen weder ein Irrtum erregt noch (außer von dem Täter) eine Willensentscheidung über die Erstattung getroffen wird.
Normenkette
§ 71, § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO
Sachverhalt
Ein Mitarbeiter des FA hatte zulasten des FA Gelder dadurch veruntreut, dass er für zwei fiktive Steuerpflichtige Umsatzsteuerkonten errichtete und durch Eingabe entsprechender Daten in die EDV-Anlage des FA bzw. Erstellung entsprechender Eingabewertbögen veranlasste, dass zu deren Gunsten Umsatzsteuererstattungen festgesetzt und von der Finanzkasse ausgezahlt wurden. Für die Errichtung der Bankkonten, auf die die Zahlungen gingen, und deren Verwendung hatte der Kläger gesorgt. Beide wurden – nur – wegen Untreue bzw. Beihilfe dazu bestraft.
Das FA nahm jedoch den Gehilfen als Haftungsschuldner in Anspruch, weil er Beihilfe (auch) zur Steuerhinterziehung des betreffenden Finanzbeamten geleistet habe. Dies hielt das FG für rechtswidrig, weil die Tat einem Griff in die Kasse des FA gleiche.
Entscheidung
Die Entscheidung schließt an die gefestigte Rechtsprechung des BGH an. Der Finanzbeamte hat Steuerhinterziehung begangen. Folglich kann der Gehilfe nach § 71 AO in Haftung genommen werden, wenn im Übrigen die Haftungsvoraussetzungen vorliegen. Dies und ob der Kläger überhaupt, wie das Strafgericht – ohne Bindungswirkung für das FG – geurteilt hat, dem Finanzbeamten bei seiner Tat Hilfe geleistet hat, muss das FG noch klären.
Hinweis
Der BGH hatte früher die auch im Schrifttum verbreitete Ansicht vertreten, wer die Existenz eines Unternehmens vortäusche, ohne Bezug auf reale Vorgänge fingierte Umsätze anmelde und dadurch (Vor-)Steuererstattungen bewirke, begehe keine Steuerhinterziehung. Er hat diese Ansicht aber – auch für das Ertragsteuerrecht – seit einiger Zeit aufgegeben (BGH, Beschlüsse vom 23.3.1994, 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109, sowie vom 21.10.1997, 5 StR 328/97, HFR 1998, 589).
Für eine Steuerhinterziehung ist eine kausale Verknüpfung zwischen unrichtigen Angaben und dem Eintritt einer Steuerverkürzung erforderlich. Dieser Zusammenhang muss indes nicht durch Täuschung mit Irrtumserregung bei einem Finanzbeamten hergestellt werden (auch wenn die Verwandtschaft der Steuerhinterziehung mit dem Betrug etwas anderes erwarten lassen mag); er kann auch – wie im Streitfall – schlicht darin bestehen, dass ein Finanzbeamter falsche Daten in die EDV eingibt.
Eine Steuerhinterziehung setzt voraus, dass "den Finanzbehörden", d.h. gegenüber einer Finanzbehörde, falsche Angaben gemacht wurden. Das kann aber auch durch einen Mitarbeiter der Finanzbehörde geschehen. Dass die Angaben von einem anderen überhaupt zur Kenntnis genommen werden, ist gerade nicht erforderlich (keine Irrtumserregung vorausgesetzt). "Die Finanzbehörde" ist in einem solchen Fall gleichsam die EDV.
Damit wird nicht etwa jede wissentlich falsche Sachbearbeitung durch einen Finanzbeamten zu einer Steuerhinterziehung. Wer einen Vorgang abschließt, erklärt zwar sinngemäß, ihn nach bestem Wissen und Gewissen geprüft zu haben. Das ist aber keine Angabe über eine "steuerlich erhebliche Tatsache", wie sie § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO voraussetzt, so dass in solchen Fällen allenfalls eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung des Steuerpflichtigen in Betracht kommen kann.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.10.2005, VII R 10/04