Für das nachträgliche Erkennen unrichtiger Angaben sind die folgenden Fallgruppen zu unterscheiden:
Der Steuerberater erkennt nachträglich, dass sein Mandant Steuerhinterziehung begangen, d. h. dem Finanzamt gegenüber vorsätzlich falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat. Hier ist der Berater nicht verpflichtet, dem Finanzamt die Hinterziehung des Mandanten mitzuteilen, vielmehr würde er sich sogar strafbar machen (Verletzung von Privatgeheimnissen), wenn er dies täte. Zu beachten ist die juristische Unterscheidung: Weiß der Steuerberater vor Einreichung der Steuererklärung, dass sein Mandant ein Steuerhinterzieher ist, begeht er Beihilfe, wenn er wissentlich an der falschen Steuererklärung mitwirkt. Erfährt der Berater aber nachträglich von der Steuerhinterziehung des Mandanten, ist er zur Verschwiegenheit verpflichtet. Daraus folgt, dass die Strafverfolgungsorgane für den Vorwurf der Beihilfe nicht nur das Wissen des Steuerberaters um die Hinterziehung des Mandanten, sondern auch den Zeitpunkt dieses Wissens – es darf keine nachträgliche Kenntniserlangung sein – beweisen müssen.
Der Steuerberater erkennt nachträglich, dass er bei der Anfertigung der Steuererklärungen des Mandanten oder der Gewinn- und Verlustrechnung einen Fehler gemacht hat, wodurch die Steuern zu niedrig festgesetzt wurden. Es stellt sich somit für ihn die Frage, ob er dem Finanzamt oder zumindest dem Mandanten darüber Mitteilung machen muss. Hier lautet die Empfehlung, dem Mandanten nahe zu legen, den Fehler durch den Berater berichtigen zu lassen. Zwar hat der BGH – ebenso ein Teil des Schrifttums – ausgesprochen, dass der Steuerberater nicht zu den nach § 153 AO berichtigungspflichtigen Personen gehört. Bedeutsam ist jedoch, dass der BGH dies noch nicht für den Fall entschieden hat, dass eine Erklärung dem Steuerberater zuzurechnen ist; dies könnte u. U. bei einem vom Steuerberater verursachten Fehler angenommen werden. Insbesondere vertritt aber ein Teil des steuerstrafrechtlichen Schrifttums die Auffassung, dass einen Steuerberater, der eine fehlerhafte Steuererklärung verschuldet hat, eine sog. Garantenstellung aus gefahrenbegründendem Vorverhalten (Ingerenz) treffe. Da der Steuerberater durch seinen Fehler eine Gefahrenquelle geschaffen habe, treffe ihn die (strafrechtliche) Verantwortlichkeit, diesen Fehler zu beseitigen. Handele er nicht entsprechend, begehe er eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen.
Hier handelt es sich um die Fallkonstellation, dass der Steuerpflichtige – gem. Fallgruppe 2 – vom Steuerberater nachträglich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die Steuererklärung infolge eines Fehlers des Beraters unrichtig war und dass es dadurch zu einer Steuerverkürzung gekommen ist, der Steuerpflichtige damit aber durchaus einverstanden ist und gar keine Richtigstellung gegenüber dem Finanzamt will. Entsprechend muss der Steuerberater dann damit rechnen, auf Grund seiner "Garantenstellung aus Ingerenz" strafrechtlich verantwortlich gemacht zu werden, wenn er das Finanzamt über seinen Fehler nicht unterrichtet. Aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht ist der Berater allerdings gehindert, dem Finanzamt zu offenbaren, dass der Steuerpflichtige diese Berichtigung nicht wollte. Würde der Berater eine entsprechende Berichtigung nicht vornehmen und der Fehler sich infolgedessen in den Erklärungen der folgenden Jahre fortsetzen, würde dem Berater für die Folgejahre Beihilfe oder Mittäterschaft zur Steuerhinterziehung des Mandanten vorgeworfen werden.
Abschließend ist noch die Möglichkeit zu erörtern, dass der Steuerberater zwar nicht nachträglich erkennt, dass früher abgegebene Steuererklärungen unrichtig waren, dies aber hätte erkennen können.
Rechtssprechungsänderungen: Steuererklärungen anpassen
Auf Grund einer Rechtsprechungsänderung ergibt sich, dass früher für den Mandanten gefertigte Steuererklärungen auf der Basis der neuen Rechtsprechung unrichtig geworden sind.
Der Berater ist nicht verpflichtet, bei jeder Rechtsprechungsänderung nach nunmehr unrichtigen Steuererklärungen oder Bilanzen des Mandanten zu forschen. Dies ergibt sich daraus, dass eine Berichtigung nach § 153 AO voraussetzt, dass nachträglich erkannt wird, dass abgegebene Steuererklärungen unrichtig waren; ein leichtfertiges Nichterkennen ("Erkennen müssen") ist für § 153 AO nicht ausreichend.