Zusammenfassung
Wie nie zuvor besteht für die Steuerberatungsbranche der von außen getriebene Zwang, die Dienstleistungen in Steuerkanzleien hinsichtlich der Anforderungen von Mandantenbedürfnissen und der Positionierung gegenüber externen Wettbewerbern fortzuentwickeln. Gerade die Corona-Krise zeigte, dass sich einerseits auf die wichtigsten Dinge fokussiert, andererseits flexibel für Mandantenunternehmen neue Lösungen geschaffen werden müssen. Für eine Branche, die bisher ihre Dienstleistungen fast ausschließlich entlang gesetzlicher Regelungen entwickelt hat, stellt das bisherige Gewohnheiten und Einstellungen zum eigenen Leistungsangebot infrage. Es reicht nicht mehr allein, die aktuelle Rechtsprechung und Gesetzgebung zu verfolgen und zu überlegen, bei welchen Mandanten sich daraus Handlungsbedarf ableiten lässt. Zudem ist es immer mehr wichtig den Blick darauf zu lenken, welche Dienstleistungsangebote man nicht mehr erbringt, oder welche Zielgruppen man nicht mehr bedient, um die nötige Kapazität für die strategisch relevanten Dienstleistungen und Zielgruppen der Kanzlei zur Verfügung zu haben. Es
ist ein neuer, professionellerer Ansatz nötig, der individuelle Dienstleistungs- und Beratungsbedürfnisse verschiedener Zielgruppen mit einem entsprechend differenziertem Angebot bedient, und gleichzeitig weniger relevante Aufgaben "nach extern delegiert" – also Dinge nicht mehr in der Kanzlei getan werden, die in der Vergangenheit noch Bestandteil der Tätigkeit waren.
Spitzenkanzleien schaffen es seit jeher, ihr Angebot flexibel auf die aktuellen und spezifischen Mandantenbedürfnisse anzupassen – im Sinne einer mandantenindividuellen Beratung als Standardleistung.
1 Warum ändert sich der Steuerberatungsmarkt radikal?
Provokant könnte man sagen: Künftig gelten auch auf dem Steuerberatungsmarkt mehr marktwirtschaftliche Wettbewerbsverhältnisse. Das hat die Corona-Krise ganz deutlich gezeigt: Während einige Kanzleien es nicht schaffen, mit den vorhandenen Möglichkeiten alle nötigen Aufgaben für die aktuellen Mandantenunternehmen fristgerecht abzuarbeiten, schaffen es vor allem spezialisierte Kanzleien, Mandantenzuwachs attraktiver Unternehmensmandanten zu generieren. Denn gerade in Krisenzeiten sind Bewegungen im Markt möglich, die in "normalen Zeiten" weniger fluide sind. Künftig regeln mutmaßlich noch viel mehr Angebot und Nachfrage, wer welche Dienstleistungen in dem Markt erfolgreich anbietet und wer von ihm nach und nach verdrängt wird, oder gezwungen wird, die eigenen Dienstleistungen zu ungünstigen Konditionen anzubieten. Natürlich wird der Steuerberatungsmarkt weiterhin stark reguliert bleiben – aber es ist absehbar, dass 3 Entwicklungen massive Veränderungen forcieren werden:
- Digitalisierung
- E-Governance und Schwinden nationaler Marktzugangsbeschränkungen
- Wachsender Bedarf an unternehmerischer Beratung durch inhabergeführte Unternehmen
Nach der Oxford Studie (Frey & Osborne, 2013) gehören Steuerberatung sowie Lohn- und Finanzbuchhaltung zu den Berufsfeldern, die in den kommenden 20 Jahren von der intelligenten Software weitgehend ersetzt werden – zumindest in der derzeitigen Form. D. h. nicht zwangsläufig, dass weniger Arbeitsplätze und Kanzleien in der Steuerberatungsbranche gebraucht werden. Eher wahrscheinlich ist, dass sich sehr stark ändern wird, was und wie gearbeitet wird. Das betrifft auch, in welchen Strukturen Steuerberatungsdienstleistungen am Markt angeboten werden: in Kanzleien (klein, mittel, groß), Netzwerken, Konzernen oder über freie Netzwerke, die sich z. B. über Social Media ohne Unternehmensstrukturen organisieren, als Freelancer auf allen Qualifikationsebenen.
Das sind radikale Änderungen. In den letzten Jahren haben sich bereits völlig neue Anbieter von Online-Buchhaltungen – die neuartige Softwarelösungen und persönliche Dienstleistung von qualifizierten Buchhaltern verbinden – am Markt platziert, teilweise sind Player auch schon wieder verschwunden. Diese haben aber gezeigt, dass es möglich ist, kurzfristig und ohne große Budgets hunderte Mandanten zu akquirieren, die sich offensichtlich aktuell mit diesen Dienstleistungen nicht gut bei ihrer Steuerkanzlei aufgehoben fühlten.
Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs: Blickt man nach Nordamerika oder in Länder Südeuropas, ist deutlich sichtbar, dass eine seitens der Regierung getriebene Entwicklung in Richtung E-Government auch drastische Folgen für Steuerkanzleien in Deutschland haben wird: So ist es künftig in Großbritannien möglich, als Unternehmer bis zu einer gewissen Größenordnung auf Buchhaltung, Abschluss und Steuererklärung komplett zu verzichten – da der britische Fiskus bald auf Basis der bekannten elektronischen Zahlungsvorgänge die Steuerberechnungen anstellt. Nur wer die so erstellten Steuerbescheide anfechten will, muss Buchhaltung, Abschluss und Steuererklärungen einreichen.
Man bedenke: Ca. 60-80 % der Dienstleistungen einer durchschnittlichen deutschen Steuerkanzlei beziehen sich genau auf diese Prozesse, die der reinen Steuerermittlung dienen. Genau diese Umsätze stehen künf...