Nimmt man allein die Nachfrage nach Steuerberatungsdienstleistungen als Erfolgskriterium, müsste man sagen, der Branche geht es ausgesprochen gut! Der Bedarf insbesondere nach fundierter Beratung ist gerade in Krisenzeiten seitens der Unternehmen und Selbstständigen hoch. Z. B. in der Corona-Krise waren die Mandanten auf Steuerkanzleien angewiesen, was die Unterstützung von Anträgen zu den diversen Corona-Hilfspaketen oder Kurzarbeitergeld anging. Die Frage ist dabei: Ist diese Mehrarbeit eine sinnvolle Entwicklung für die Kanzlei oder wird sie eher als zusätzliche Belastung wahrgenommen? Gibt es ausreichend Kapazitäten, das neue notwendige Know-how aufzubauen und neue Prozesse zu etablieren? Ist die Kanzlei in der Lage, ein für Mandanten verständliches und werthaltiges Angebot zu dieser Beratungsleistung zu formulieren? Denn Mandanten sind mit gutem Recht anspruchsvoll und hinterfragen die Steuerberaterhonorare aus ihrer eigenen unternehmerischen Perspektive. Das gilt natürliche insbesondere in Bereichen, in denen es gewerbliche Wettbewerber gibt wie bei der Finanz- und Lohnbuchhaltung. Insgesamt bleibt die Nachfrage nach Steuerberatungsdienstleistungen ungebrochen hoch, und die Kapazitätsengpässe am Markt lassen Kanzleien aktuell leichter höhere Honorare durchsetzen als vor einigen Jahren. Ist aus strategischer Sicht also alles gut für Steuerkanzleien?
Die akuten Gründe, aus denen viele Steuerberater bezüglich der "Gesamtsituation" ihrer Kanzleien kein gutes Gefühl haben, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Die Corona-Krise verschärfte die Situtation – das merken insbesondere Kanzleien, die nicht digital aufgestellt sind und schon vor der Krise überausgelastet waren.
- Der Personalmarkt ist äußerst angespannt, und die Vorteile der Digitalisierung wirken sich nicht ausreichend aus, um den Personalmangel schon merklich abzumildern, zumal der Bedarf an gut qualifiziertem, insbesondere für Beratung einsetzbarem Personal unabhängig davon ungebrochen hoch bleiben wird.
- Die fachlichen Anforderungen steigen seit Jahren permanent.
- Die Finanzverwaltung verlagert ihre Aktivitäten von der Steuerdeklaration hin zu mehr Prüfungsaktivitäten, das heißt für Kanzleien mehr Betriebsprüfung und Sonderprüfungsaufwand.
- Neues Personal und Auszubildende zu bekommen wird immer schwieriger.
- Die Qualifikationsanforderungen steigen permanent, im Zweifel bedeutet das mehr Kontrollaufwand für Berufsträger.
- Investitionen in Software – sowohl finanziell wie auch vom diesbezüglichen Know-how-Aufbau her – steigen permanent.
- Mandanten erwarten zu Recht Lösungsangebote, die noch passender auf ihre individuelle Situation und ihr Unternehmen zugeschnitten sind, sind mit dem bisherigen "Angebot von der Stange" weniger zufrieden und teilweise entsprechend preissensibel.
- Bei vielen Kanzleien gibt es keine jährliche Routine von Honorarerhöhungen.
- Letzteres kombiniert mit dem Nachholbedarf an Schulungen fachlicher, methodischer wie softwarebezogener Inhalte sowie dem Nachholbedarf an Gehaltssteigerungen in der Branche führt bei etlichen Kanzleien zu Kapazitätsengpässen bzw. schleichenden Rentabilitätsproblemen trotz weiterhin guter Umsatzlage.
- Aus dieser Gemengelage wird leicht ein Teufelskreis, bei dem Kapazitätsengpässe zu geringerer Dienstleistungsqualität führen, was Unzufriedenheit bei Mandanten hervorruft, die sich entsprechend in einer schlechten Honorarlage auswirkt.
Doch sind das nicht alles operative Fragen und Dinge, die sich im Tagesgeschäft abspielen? So sehen das viele Steuerberater, die sich selbst gern als "Praktiker" bezeichnen. Aus einer anderen Perspektive könnte man sagen, dass die oben aufgezählten Punkte Symptome einer strategischen Schieflage sind, die sich auf der operativen Ebene eben in diesen oder ähnlichen Punkten äußert.
Weitet man den Blick und begibt sich auf eine strategische Ebene, dann wird klar, dass die Ursache für die Problemsymptome in Steuerkanzleien die geläufigen Trends sind, die sich auch in Steuerkanzleien auswirken:
Mit Blick auf diese generische Situationsanalyse einer Steuerkan...