Im ersten Drittel der Strategieschleife, das die Phasen strategischer Optionen sowie Entscheidungen zwischen Strategieoptionen beinhaltet, geht es zunächst darum, das "Hier und Jetzt" der Kanzlei und ihres relevanten Umfelds sowie plausible Annahmen über mögliche zukünftige Entwicklungen wahrzunehmen, zu erkennen und zu analysieren. Dann wird in den wichtigsten Eckpunkten entschieden, in welche Richtung die Zukunftsreise der Kanzlei gehen soll. Je nach Volatilität des wirtschaftlichen Umfelds der Kanzlei sollte dieser Bereich jährlich bis quartalsweise mit Aufmerksamkeit bedacht werden.
3.1.1 Strategische Analyse
Die strategische Analyse dient dem Zweck, den strategischen Handlungsbedarf Ihrer Kanzlei aus verschiedenen Blickwinkeln zu konkretisieren und die eigenen persönlichen Annahmen über Märkte, Mandanten, relevante Technologien und Geschäftsmodelle in der Steuerberatung intensiv zu hinterfragen.
Es geht darum, zunächst den Wahrnehmungshorizont zu erweitern – deutlich über die Perspektiven des Tagesgeschäfts hinaus. 3 Blickrichtungen sind für eine gründliche Analyse, unabhängig vom Umfang und der Intensität der Nutzung der Analyseinstrumente, einzunehmen:
- Außenperspektiven Mandanten, Wettbewerber, Branchendynamik, Marktpotenziale, andere relevante Marktteilnehmer)
- Zukunftsperspektiven (Definition des eigenen Geschäfts, Zukunftsszenarien, Trendanalysen etc.)
- Binnenperspektiven (Kernkompetenzen, Mitarbeiter, Organisationsanalyse, Analyse des Geschäftsmodells, Stärken/Schwächen, …)
Mit der Analyse sollten die wichtigsten Risiken sowie Chancen, mit denen die Kanzlei in Zukunft konfrontiert wird, sichtbar gemacht werden. Alle am Strategieprozess beteiligten Personen sollten sich darüber intensiv austauschen und ein gemeinsames Verständnis dazu entwickeln. Dieses Bild sollte eine möglichst realistische Darstellung vorhandener Möglichkeiten, Ressourcen sowie der Grenzen des eigenen künftigen Agierens beinhalten.
Folgende Leitfragen verdeutlichen die Richtungen des strategischen Suchprozesses:
- Welche zentralen Annahmen über das Geschäft, in dem Ihre Kanzlei tätig ist, leiten Ihre Entscheidungen?
- Welcher Wettbewerbsdynamik sind Sie ausgesetzt? Was sind die Spielregeln der Branche?
- Gibt es Ansatzpunkte, diese Regeln aktiv mitzugestalten?
- Welche für Ihr Geschäft relevanten Trends erwarten Sie?
- Welche alternativen Szenarien sind dabei denkbar?
- Wie schätzen Sie die Chancen und Bedrohungen vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ein?
- Wie definieren Sie Ihre Kernkompetenzen?
- Wo liegen Ihre Stärken und Schwächen – auch im Vergleich zu Ihren wichtigsten Mitbewerbern?
- Welche Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten betreiben Sie?
- Welchen Raum haben dabei Produktinnovationen, die Sie aus den eigenen Kernkompetenzen heraus stimulieren?
Die nachfolgend aufgezählten Tools haben sich für die strategische Analyse von Steuerkanzleien bewährt, sie stellen in der dargestellten Methodik besonders intensive Bearbeitungen dieser Phase der Strategiearbeit dar. Die Auswahl ist keine vollständige oder umfassende Liste, sondern eine praxisorientierte Auswahl aus Hunderten von Analysetools, die das strategische Management generell bietet.
Strategischer Snapshot 1: Kanzlei-Diagnoseinterviews aus Sicht des Führungsteams der Kanzlei
2 bis max. 7 Personen der Kanzlei (von Partner- bis Teamleiterebene) werden aus einem Fragenkatalog von 30-100 Fragen in den Bereichen Führungsteam, Strukturen und Prozesse, Kultur, Führungen, Markt und Umfeld sowie Zukunft in einem persönlichen Gespräch befragt. Die unterschiedlichen Perspektiven der Führungskräfte werden zu einem schlüssigen Gesamtbild zusammengeführt.
Strategischer Snapshot 2: Interviews mit Schlüsselpersonen des Personals
4 bis 7 repräsentativ ausgewählte Mitarbeiter werden zu ihrer Arbeitssituation, ihren Entwicklungs- und Karrierechancen sowie ihrem Blick auf die Kanzleiorganisation und Führung befragt. So werden insbesondere "blinde Flecke" des Führungsteams sichtbar bzw. verkleinert, die sich im Arbeitsalltag und durch den Druck des Tagesgeschäfts nicht vermeiden lassen.
Strategischer Snapshot 3: Interviews mit wichtigen Mandanten sowie Geschäftspartnern
5 bis 10 relevante Mandanten sowie andere wichtige Geschäftspartner – z. B. Banken, Verbände, Softwareunternehmen – werden zur Beurteilung ihrer Zusammenarbeit mit der Kanzlei interviewt. Dabei geht es um den Blick von außen auf die Kompetenzen der Kanzlei, die jeder Einzelne aufgrund seiner Interessen aus der Zusammenarbeit mit der Kanzlei hat. Das fördert üblicherweise Aspekte zutage, die aus der Innensicht nicht oder nicht so deutlich auftauchen.
Das Ergebnis der Snapshots ist eine qualitative Bestandsaufnahme in Form eines schriftlichen Berichts, der die aktuelle Situation sowie strategische Handlungsfelder auf den Punkt bringt und mit dem Führungskreis der Kanzlei diskutiert wird.
Kanzlei-Team-Workshop "Postdigitale Perspektiven: Die Entdeckung einer noch nicht vorhandenen Zukunft"
Nicht allein als Analysetool, sondern auch als Auftakt für eine intensive strategische ...