Geradezu zwangsläufig ergibt sich aus einer neuen, für die Zukunft angestrebten strategischen Positionierung, dass die Strukturen und Prozesse der Kanzlei angepasst werden müssen. Je nachdem, auf welchem Niveau von Organisiertheit sich Ihre Kanzlei vor einem Strategieprozess befindet, ergeben sich aus Ihrer Strategie unterschiedliche Teilprojekte der organisatorischen Anpassung.
Unabhängig von der Zukunftsentwicklung der Kanzlei sieht die Initiative Steuerberatung 2020 der Bundessteuerberaterkammer die möglichst positive Beantwortung der folgenden Fragen als Grundvoraussetzungen dafür an, wesentliche strategische Veränderung vorzunehmen. Diese gelten auch weiterhin als gute Basis für die Einschätzung der eigenen Lage:
- Erfüllt die Kanzlei die Kernkompetenzen der Steuerberatung? Nehmen Steuerberater regelmäßig an Fortbildungen teil?
- Hat die Kanzlei ein klares Dienstleistungsportfolio mit den erforderlichen Kernkompetenzen?
- Gibt es darauf aufbauend standardisierte und optimierte Prozesse (QM-System)?
- Verfügt die Kanzlei über ein professionelles Erscheinungsbild (Corporate Design)?
- Erwartet das Personal eine verantwortungsvolle Führung durch Vorgesetzte? Sind die Arbeitsbedingungen attraktiv? Hat das Personal optimale Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten?
Darüber hinaus haben sich in der Praxis für die Organisation von Kanzleien folgende Fragestellungen als besonders relevant herausgestellt – unabhängig von der strategischen Richtung der Kanzlei:
- Sind im Team klare Ziele bezüglich Jahresabschlusserstellung vereinbart?
- Gibt es eine Auftragsplanung (inkl. Controlling) auf Basis Mitarbeiterkapazität, Umsatz und Deckungsbeitrag je Mandantenauftrag/Mitarbeiter/Team/Zeiterfassung? Wird diese klar und regelmäßig im Team kommuniziert?
- Werden Honorare und genauer Arbeitsumfang mit Mandanten immer im Vorhinein geklärt? Treffen die zuständigen Mitarbeiter immer rechtzeitig diese Vereinbarungen mit den Mandanten?
- Gibt es einen regelmäßigen Prozess, bei unrentablen Mandaten die Honorare anzupassen bzw. sich professionell von solchen Mandaten zu trennen?
- Es werden jährlich mindestens ein Mal mit jedem Mitarbeiter Zielgespräche/Entwicklungsgespräche durchgeführt.
- Finden Team-/Projektteam-/Teamleiter-/Partnerkreissitzungen regelmäßig statt?
- Wird jährlich eine 1- bis 3-tägige Kanzleiklausurtagung zur Jahresplanung mit dem gesamten Kanzleiteam durchgeführt?
Für Kanzleien geht es häufig um nachhaltige Entwicklung immer neuer Kompetenzen und um die Adressierung des Dauerproblems der "Unterdelegation", auf die strukturelle Antworten gefunden werden müssen, die sich aus einer neuen strategischen Positionierung ergeben.
Aufgrund der Vielfalt, Komplexität und sich dynamisch ändernden Gegebenheiten, die in Ihrer Strategie eine Rolle spielen, liegt es in der Natur der Sache, auch generell die Herangehensweise an Kanzleiorganisation im Sinne der Definition von Strukturen und Prozessen zu überdenken und öfter als früher zu hinterfragen. Als Stichworte seien hier auch "New Work" und agiles Projektmanagement sowie andere agile Arbeitsmethoden genannt.
Für den Organisationsumbau generell empfiehlt R. Nagel folgende Fragen zu reflektieren:
- Woran können Sie erkennen, dass Ihre Geschäftsprozesse konsequent am Kundennutzen und der Schöpfung von Mehrwert ausgerichtet sind?
- Wie etablieren Sie weitere Führungsebenen (z. B. Prozessverantwortliche, interne Fachexperten, Team- oder Projektleitungen) nachhaltig?
- Wie sorgen Sie für arbeitsfähige Strukturen und eine funktionsfähige Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Führungsebenen und Teams?
- Wie werden in Ihrer Kanzlei Entscheidungen getroffen?
- Wie überprüfen Sie, ob die Entscheidungsfindung die wechselnden Anlässe adäquat berücksichtigt?
- Auf welche Art fördern Sie eine angemessene Informationspolitik zwischen Hierarchieebenen und unterschiedlichen Organisationseinheiten?
- Woran erkennen Sie, dass interne Kommunikationsstrukturen professionell gestaltet sind?