Ulf Hausmann, Dr. Tabea Scheel
2.1 Geben und Nehmen zwischen Kanzlei und Mitarbeiter
Mitarbeiter sind motiviert und fühlen sich der Kanzlei verpflichtet, wenn für sie der Austausch in der Arbeitsbeziehung unter dem Strich stimmt: "Was gebe ich der Kanzlei, was bekomme ich dafür?" Diese wahrgenommenen gegenseitigen Versprechen und Verpflichtungen zwischen Mitarbeiter und Kanzlei sind die sog. Psychologischen Verträge. Sie sind grundlegend für die Motivation von Mitarbeitern und ihre Leistungsfähigkeit sowie auch dafür, ob sie loyal mit der Kanzlei und deren Zielen verbunden sind.
Das Personal muss nicht einfach nur an die Kanzlei gebunden sein, sondern in einer Art und Weise, dass es engagiert, eigenverantwortlich und mit dem im Geschäft nötigen Qualitätsbewusstsein und der nötigen Dienstleistungsorientierung arbeitet. Das ist besonders relevant unter der Maßgabe, dass das Kanzleiteam als Ganzes seine Leistungsfähigkeit nicht nur auf hohem Niveau halten, sondern auch permanent die eigenen Fähigkeiten – individuell auf Personenebene wie auch insgesamt als Kanzlei – weiterentwickeln muss.
Ihre Mitarbeiter erwidern die Art, wie sie behandelt werden, auf Basis ihrer Bewertung des Status des Psychologischen Vertrags. Die wahrgenommenen eigenen Beiträge werden den wahrgenommenen Beiträgen der Kanzlei gegenübergestellt.
Abwägen im Rahmen des Psychologischen Vertrags der Arbeitsbeziehung
Beiträge der Beschäftigten |
Beiträge der Kanzlei |
Ausbildung |
Anerkennung |
Erfahrung |
Aufstiegsmöglichkeiten |
Zeit |
Bezahlung |
Aufmerksamkeit |
Aus- und Weiterbildung |
Fähigkeiten |
Zusatzleistungen (z. B. außerberufliche Unterstützung) |
Engagement |
unterstützendes Klima |
Loyalität |
Arbeitsmittel und -bedingungen |
Wird Ungleichheit im Beziehungsaustausch wahrgenommen, wird versucht, wieder Ausgleich herzustellen – im positiven wie im negativen Sinne. Erfüllte Psychologische Verträge sind unter anderem Voraussetzung für Wissensaustausch, besonderes Engagement (z. B. zeitweise Mehrarbeit) und vor allem Verbleib in der Kanzlei (Commitment dem Arbeitgeber gegenüber). Schlecht erfüllte Psychologische Verträge führen dazu, dass nur Dienst nach Vorschrift gemacht wird und im schlimmsten Fall zum Verlassen der Kanzlei.
2.2 Pychologische Verträge – Forschungsergebnisse aus der Steuerberatungsbranche
Wissen ist eine der relevantesten Ressourcen in Kanzleien. In einer Online-Befragung von 570 Mitarbeitern aus Steuerkanzleien wurde der Zusammenhang zwischen erfüllten Psychologischen Verträgen und dem verminderten Aufkommen von Fehlern im Umgang mit Wissen (sog. Wissensbarrieren) festgestellt. So wurden in Kanzleien, in denen das Personal stärkere Erfüllung der gegenseitigen Psychologischen Verträge wahrnimmt, geringere Ausprägungen bei den Wissensbarrieren "Befangenheit", "Misstrauen" sowie "Betriebsblindheit" festgestellt. Ebenso sind in Kanzleien, in denen sich das Personal stärker im Rahmen des Psychologischen Vertrags zu Innovationen selbstverpflichtet sieht, die Wissensbarrieren "Wissensmanagementdefizite", "Mangelnde Offenheit für Neues" sowie "Speicherungsprobleme" geringer ausgeprägt.
In einer weiteren Studie zum Thema "Arbeit im Wandel" wurden für österreichische und deutsche Steuerkanzleien folgende Erkenntnisse im Zusammenhang mit Psychologischen Verträgen gewonnen: Je mehr Arbeitsintensivierung und Zeitdruck Mitarbeiter angeben, desto weniger fühlen sie sich verpflichtet, selbst loyal zu sein und desto geringer schätzen sie die Erfüllung der Verpflichtungen seitens der Kanzlei ein. Dies ist wiederum problematisch, da diese geringe Erfüllung mit geringerem Wohlbefinden der Mitarbeiter einhergeht (affektive Irritation). Zudem ist die Erfüllung der Verpflichtungen seitens der Kanzlei mit höherer Arbeitszufriedenheit verbunden.
Von den Mitarbeitern wahrgenommene Verpflichtungen der Kanzlei, sich loyal (d. h. wertschätzend) sowie wertorientiert (d. h. fachlich korrekt und gesellschaftlich nützlich) zu verhalten, hängt mit höherer Arbeitszufriedenheit zusammen.
2.3 Wie erreicht man einen positiven Status der Psychologischen Verträge der Mitarbeiter in der Kanzlei?
Als Betrachtung dafür eignet sich der gesamte Prozess, aus dem das Personal die Kanzlei wahrnimmt. Erwartungen und wahrgenommene Verpflichtungen bilden sich schon im Bewerbungsprozess, sobald Informationen sichtbar werden und Kommunikation mit der Kanzlei stattfindet. Das Modewort Arbeitgebermarke könnte man hier anführen. Dieses Konzept geht allerdings weit darüber hinaus, was Kanzleien als kleine und mittelgroße Organisationen zu managen überhaupt in der Lage sind. Die Idee ist vereinfacht vielmehr folgende: Das Bild, das potenzielle neue Mitarbeiter von der Kanzlei von außen wahrnehmen, sollte dem entsprechen, was sie hinterher in der Kanzlei täglich erleben – sonst kann diese wahrgenommene Ungleichheit zum Bruch des Psychologischen Vertrags mit den entsprechend negativen Folgen führen.
2.4 Vom Einstellungsprozess zu langfristigen Karrieremöglichkeiten
Ein Modell der Motivation von ...