Das nunmehr aktualisierte BMF-Schreiben enthält im Abschnitt "Grundsätze der materiell-rechtlichen Beurteilung von Cum/Cum-Gestaltungen" einen folgenreichen Paradigmenwechsel. Ursprünglich sollten gem. BMF-Schreiben (alt) Cum/Cum-Transaktionen im Einzelfall lediglich im Hinblick auf einen möglichen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO einer Prüfung durch die Finanzverwaltung unterzogen werden (Rz. 12). Das BMF-Schreiben (alt) enthält zudem keinen ausdrücklichen Hinweis auf eine erforderliche Prüfung des tatsächlichen Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO anlässlich der Überlassung von Wertpapieren an einen neuen Erwerber bzw. Entleiher im Rahmen von Cum/Cum-Transaktionen. Vielmehr wird dort vereinfachend davon ausgegangen, dass bei Cum/Cum-Transaktionen mit der Einbuchung der Wertpapiere in das Depot des Entleihers bzw. Erwerbers (sachenrechtliches Erfüllungsgeschäft) vor dem Dividendenstichtag vom Übergang des zivilrechtlichen und grundsätzlich auch des wirtschaftlichen Eigentums auszugehen ist (Rz. 11). Im Gegensatz dazu soll nunmehr mit dem BMF-Schreiben (neu) vorrangig eine dezidierte Prüfung des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums an den Wertpapieren erfolgen.
In der einschlägigen Literatur wurde bereits in Zusammenhang mit dem BMF-Schreiben (alt) bezüglich der steuerlichen Beurteilung von Cum/Cum-Transaktion darauf hingewiesen, dass eine ausschließliche Prüfung von Cum/Cum-Transaktionen auf der Grundlage des § 42 AO nicht ausreichend sei, sondern vorrangig eine Prüfung des Bestehens von wirtschaftlichem Eigentum gem. § 39 AO Abs. 2 Nr. 1 erfolgen müsse (vgl. statt aller: Spengel, DB 2016, 2992). In gesetzessystematischer Hinsicht ist es zutreffend, vor einer Anwendung des Gestaltungsmissbrauchs gem. § 42 AO zunächst einen möglichen Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber bzw. Entleiher der Wertpapiere zu prüfen. Allein die steuerlichen Konsequenzen aufgrund einer Verneinung des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums sind zwar im Wesentlichen vergleichbar mit denen im Fall der Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs gem. § 42 AO, d.h. Versagung der Anrechnung bzw. Erstattung der KapESt gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG beim Erwerber bzw. Entleiher. In praktischer Hinsicht kann jedoch davon ausgegangen werden, dass im Fall einer vorrangigen Prüfung der Frage des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums von einer erhöhten Entdeckungswahrscheinlichkeit zu Lasten der Beteiligten an einer Cum/Cum-Transaktion auszugehen ist (vgl. Spengel, DB 2016, 2992). Eine Maßgeblichkeit des Kriteriums des Gestaltungsmissbrauchs schließt die weitergehende Prüfung von materiell-rechtlichen Aspekten der Gestaltung, wozu auch der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO gehören würde, i.d.R. aus. Dieser Aspekt wird zusätzlich noch dadurch verstärkt, dass die Frage des Gestaltungsmissbrauchs in der Praxis der Finanzverwaltung ein eher zurückhaltend behandeltes Thema darstellt, was sich in Anbetracht der vielfältigen Gestaltungsvarianten von Cum/Cum-Transaktionen noch weiter verstärken wird.