Leitsatz
1. Bei überobligatorischen Arbeitgeberbeiträgen an eine schweizerische öffentlich-rechtliche Pensionskasse handelt es sich um Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Beitragsleistung zufließt.
2. Überobligatorische Arbeitgeberbeiträge an eine schweizerische öffentlich-rechtliche Pensionskasse sind keine gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes steuerfreien Zukunftssicherungsleistungen.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, § 11 Abs. 1 Satz 4, § 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3, § 3 Nr. 56, Nr. 62 Sätze 1 und 4, Nr. 63 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b EStG, Art. 1 bis 25 PKG, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AltZertG, § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG, BVG
Sachverhalt
Die Kläger sind für das Streitjahr (2016) zur ESt zusammenveranlagte Eheleute. Sie leben in Deutschland. Der Kläger ist bei einer Institution des Kantons St. Gallen in der Schweiz angestellt, welche er im Streitjahr arbeitstäglich aufsuchte und von dort am Ende des Arbeitstages an seinen Wohnort in Deutschland zurückkehrte. Er unterlag seit Beginn seiner Tätigkeit in der Schweiz aufgrund der (gesetzlichen) Regelung seines Arbeitsverhältnisses den Schweizer Regelungen über die berufliche Vorsorge (Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25.6.1982 – BVG –, Systematische Sammlung des Bundesrechts – SR – 831.40). Demgemäß leisteten der Kläger und sein Arbeitgeber im Streitjahr Beiträge zur Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und Invalidenversicherung (IV). Diese dienen der existenzsichernden Basisversorgung (sog. Säule 1 im schweizerischen Altersvorsorgesystem) und sind mit den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland vergleichbar. Ihre steuerliche Behandlung steht vorliegend nicht in Streit. Zudem haben der Kläger und sein Arbeitgeber im Rahmen der beruflichen Vorsorge (sog. Säule 2 im schweizerischen Altersvorsorgesystem) obligatorische wie überobligatorische Spar- und Risikobeiträge an eine schweizerische öffentlich-rechtliche Pensionskasse (PK) entrichtet. Das FA erhöhte im ESt-Bescheid für das Streitjahr den steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn des Klägers laut Lohnausweis um die überobligatorischen Arbeitgeberbeiträge. Bei der Ermittlung der beschränkt abziehbaren Altersvorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG berücksichtigte das FA die überobligatorischen Beiträge des Klägers und seines Arbeitgebers nicht. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 7.4.2020, 3 K 1497/18, EFG 2019, 1170, Haufe-Index 13888416).
Entscheidung
Die Revision der Kläger hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Die von einem schweizerischen Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer geleisteten überobligatorischen Beiträge zur beruflichen Vorsorge zählen zum steuerbaren Arbeitslohn. Denn es handelt sich bei diesen – anders als die Entrichtung des Arbeitgeberanteils zur deutschen gesetzlichen Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung – nicht um einen allgemeinen, für Dritte bestimmten Finanzierungsbeitrag, durch den der einzelne Arbeitnehmer weder einen individuellen mitgliedschafts- oder beitragsrechtlichen Vorteil noch einen leistungsrechtlichen oder sonstigen Vermögenszuwachs erfährt. Vielmehr wird der eingezahlte überobligatorische Arbeitgebersparbeitrag dem für den einzelnen Arbeitnehmer geführten Sparguthaben gutgeschrieben, wodurch sich dessen individuelle (Renten-)Leistungen bei Eintritt des Vorsorgefalls "Alter" erhöhen. Ebenso erhöhen die überobligatorischen Arbeitgeberrisikozuschläge die individuellen Ansprüche des einzelnen Arbeitnehmers in den Vorsorgefällen "Tod" und "Invalidität". Einem solchen Rechtsanspruch kommt – entgegen der Ansicht der Kläger – ein eigener Vermögenswert zu (vgl. BFH, Urteil vom 5.7.2007, VI R 47/02, BFH/NV 2007, 1876, unter II.1.a).
2. Da die überobligatorischen Arbeitgeberbeiträge auf dem Arbeitsverhältnis mit dem Kanton St. Gallen beruhen und im Interesse des Klägers getätigt werden, werden die Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers zudem "für" eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst gewährt.
3. Dem Kläger ist der Arbeitslohn i.H.d. überobligatorischen Arbeitgeberbeiträge im Streitjahr mit dem jeweiligen monatlichen Eingang auf dem Konto der PK auch zugeflossen.
4. Das FG ist weiter im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die überobligatorischen Beiträge des Arbeitgebers zur beruflichen Vorsorge mangels einer einschlägigen Steuerbefreiungsvorschrift Teil des steuerpflichtigen Arbeitslohns sind.
Keine Unterscheidung (mehr) zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Vorsorgeeinrichtung
Der BFH hat bislang bei der steuerlichen Beurteilung von Schweizer Einrichtungen der beruflichen Vorsorge (Säule 2 im schweizerischen Altersvorsorgesystem) danach unterschieden, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche oder eine privatrechtliche Vorsorgeeinrichtung handelt. Während Erstere auch hinsichtlich der überobligatorischen Absicherung als mit der deutschen gesetzlichen Rentenve...