Vier aktuelle BFH-Entscheidungen führen zu besseren Abgrenzungskriterien
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, StB
Der Abzug von Versorgungsleistungen als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG, jetzt: § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG) war in den letzten beiden Jahrzehnten extrem streitanfällig und hat – basierend auf der zahlreich hierzu ergangenen Rechtsprechung – bereits zu (mehrmals geänderten) Verwaltungserlassen geführt. Richtungsweisend war die für nach dem 31.7.2007 abgeschlossene Verträge erstmals eingeführte gesetzliche Neuregelung. Da das vorher geltende Richterrecht für vor dem 1.1.2008 abgeschlossene Verträge weiterhin gilt, muss die nachfolgend ergangene Rechtsprechung entsprechend differenziert betrachtet werden. Der BFH hat nun in vier aktuellen Entscheidungen sowohl zum alten als auch zum neuen Recht Rechtsauslegungen präzisiert und eine offene Rechtsfrage entschieden.
I. Problemstellung beim Rechtsinstitut der "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen"
Zunächst nur Richterrecht: Der steuermindernde Abzug von Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit Vermögensübertragungen war und ist bei Vermögensübertragungen, die vertraglich vor dem 1.1.2008 erfolgt sind, nur nach Richterrecht nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG als Sonderausgaben (in Form einer dauernden Last bzw. mit dem Ertragsanteil bei einer Rente) möglich.
Durch das JStG 2008 ist das Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen
Die Regelung des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG gilt für Vermögensübergabeverträge, die nach dem 31.12.2007 abgeschlossen wurden. Beachten Sie: Für vor diesem Zeitpunkt vereinbarte Verträge gilt grundsätzlich die alte Rechtslage weiter fort.
Weiterentwicklung durch den BFH: Der BFH hat nun aktuell mit den vier folgenden Entscheidungen
seine Rechtsprechung zu § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG bzw. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG weiterentwickelt und mit einer Entscheidung eine bislang offene Rechtsfrage endgültig entschieden.
Nachfolgend wird nach einer kurzen Einführung zur bisherigen Rechtslage auf die vier Entscheidungen im Einzelnen eingegangen.
II. Abzug von Versorgungsleistungen nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG bei Vertragsabschluss nach dem 31.12.2007: Die Rechtslage im Überblick
Versorgungsleistungen sind wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung zur vorweggenommenen Erbfolge; sie können auch auf Verfügungen von Todes wegen beruhen. Sie sind weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten.
Wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung können sein:
- Unterhaltsleistungen,
- wiederkehrende Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung oder
- Versorgungsleistungen.
Versorgungsleistungen führen
Als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG) abziehbar sind Versorgungsleistungen,
- die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhen,
- die lebenslang wiederkehrend geleistet werden, und
- die nicht mit Einkünften, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.
- Ferner muss der Empfänger unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sein und
- ab VZ 2021 muss in der Steuererklärung des Verpflichteten die ID-Nr. des Berechtigten angegeben werden.
Existenz sichernde Wirtschaftseinheiten: Kernelement der für Vertragsabschlüsse nach dem 31.12.2007 geltenden Regelung ist, dass die Versorgungsleistungen in Zusammenhang stehen müssen mit der Übertragung
- eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft, die eine Tätigkeit i.S.d. § 13, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 EStG ausübt,
- eines Betriebs oder Teilbetriebs,
- einer mindestens 50 % umfassenden GmbH-Beteiligung, wenn der Übergeber Geschäftsführer war und der Übernehmer dies wird. Der Übergeber muss seine Geschäftsführertätigkeit insgesamt aufgeben.
Nicht begünstigt ist dagegen die Übertragung von Immobilienvermögen, Wertpapieren oder typischen stillen Beteiligungen.
Keine Existenz sichernden Wirtschaftseinheiten sind ertragloses Vermögen und Vermögen, an dem sich der Übergeber den Totalnießbrauch vorbehält, es sei denn, das Vermögen wird mit der Auflage übertragen, es in eine Existenz sichernde Wirtschaftseinheit umzuschichten.
Versorgungsleistungen liegen vor, wenn nach überschlägiger Berechnung die zu erbringenden Leistungen nicht höher sind als die langfristig erzielbaren Erträge aus der übergebenen Existenz sichernden Wirtschaftseinheit. Dabei gilt:
- aus Vereinfachungsgründen kann der Durchschnittsertrag der letzten drei Jahre zugrunde gelegt werden.
- AfA und außerordentliche Aufwendungen sind hinzuzurechnen.
Beachten Sie: Bei Übertragung eines gewerblichen Betriebs, der vom Erwerber fortgeführt wird, besteht eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass die Beteiligten von einer ausreichend Er...