Aufgrund der räumlichen Nähe und der stabilen politischen Verhältnisse haben Steueroasen in Europa insbesondere für deutsche "Interessenten" eine erhebliche Bedeutung. Die wichtigsten werden nachfolgend aufgeführt.
5.2.1 Andorra
Das Fürstentum Andorra liegt in den Pyrenäen zwischen Spanien und Frankreich. Das Land, dessen Landessprache Katalanisch ist, weist hierbei die Besonderheit auf, dass als Staatsoberhäupter sowohl der französische Staatspräsident als auch der Bischof von Urgel in Spanien fungieren. Diese Regelung besteht bereits seit dem Mittelalter. Das Land hat rund 76.000 Einwohner und ist Mitglied der UN und der OSZE, nicht aber der EU. Gleichwohl ist die Währung der Euro. Bis 2014 gab es keine direkte Einkommensbesteuerung, seitdem gilt eine moderate Besteuerung von 5 % auf Gewinnaktivitäten. Der Umsatzsteuersatz ist niedriger als in Spanien oder Frankreich, eine Erbschaftsteuer gibt es nicht. Andorra war deshalb zumindest in der Vergangenheit als Standort für Briefkastenfirmen bekannt. Allerdings besteht seit 2010 mit Deutschland ein Abkommen über Informationsaustausch. Trotzdem steht Andorra immer noch im Fokus, wenn seitens der EU Steueroasen benannt werden, die es auszutrocknen gilt. Die Regierung von Andorra hat allerdings in 2016 angekündigt, zukünftig kooperativer hinsichtlich der Zusammenarbeit mit anderen Ländern zu sein. Die Zukunft von Andorra als Steueroase ist deshalb offen.
5.2.2 Gibraltar
Gibraltar liegt an der Südspitze der iberischen Halbinsel und vollständig von Spanien umgeben. Die rund 32.000 Einwohner sind britische Staatsbürger, Gibraltar ist ein Überseegebiet des Vereinigten Königreichs, allerdings nicht Bestandteil der EU. Zwar ist die früher bestehende Steuerfreiheit für Kapitalgesellschaften in der Zwischenzeit durch eine 10 % Körperschaftsteuer ersetzt worden, doch ist das Land immer noch ein beliebter Standort, um Gelder zu parken. Der Finanzsektor hat dementsprechende Bedeutung. Wie andere Steueroasen ist auch Gibraltar in den letzten Jahren unter den Druck der EU geraten. In Bezug auf Deutschland hat sich dies in einem Auskunftsabkommen niedergeschlagen. Wie bei den übrigen britisch dominierten Steueroasen bleibt abzuwarten, wie sich der nunmehr abgeschlossene BREXIT auf Gibraltar letztlich auswirken wird.
5.2.3 Britische Kanalinseln
Die britschen Kanalinseln Jersey, Guernsey, Alderney und Sark liegen zwischen Großbritannien und Frankreich. Sie haben insgesamt rund 166.000 Einwohner. Die Inseln sind nicht Teil des Vereinigten Königreichs, sondern sog. Kronbesitz. Die Inseln sind nicht Teil der EU, gehören aber zu deren Zollgebiet. Die Inseln haben eine eigene Regierung, ein eigenes Rechtssystem und auch ein eigenes Steuersystem. Da insbesondere der Körperschaftsteuersatz derzeit nahezu 0 % beträgt, haben sich die Kanalinseln als ein extrem wichtiger Standort für Steuerflüchtlinge etabliert. Der Finanzsektor ist dementsprechend von erheblicher Bedeutung für die Wirtschaft. Allerdings haben die beiden mit Abstand wichtigsten Kanalsinseln Jersey und Guernsey in den letzten Jahren auf Druck der EU eine Vielzahl von Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Weitere Maßnahmen seitens der EU dürften folgen. Diese Abkommen betreffen im Zusammenhang mit Deutschland für Jersey ein DBA zu den Einkünften, eine Auskunfts-DBA und ein gesondertes DBA zu Zinseinkünften sowie zu weiteren gewissen Einkünften. Für Guernsey ist dies ein DBA über Auskünfte und eines zu Zinseinkünften.