Leitsatz
Erträge aus der Rückzahlung von DAX-Zertifikaten sind gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alternative 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG steuerpflichtig.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 7, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG
Sachverhalt
Der Kläger hatte 1992 DAX-Zertifikate mit einem anfänglichen Verkaufspreis von 1.775 DM und garantiertem Rückzahlungsbetrag von 1.500 DM erworben. Die Emittentin war verpflichtet, bei Endfälligkeit in 1997 den in DM ausgedrückten Schlusskurs, mindestens aber einen Betrag von 1.775 DM je Zertifikat zu zahlen. Der Kläger erhielt bei Endfälligkeit 3.359,29 DM je Zertifikat (insgesamt 43.670,77 DM, davon Kapitalerträge von 24.170,77 DM).
Das FA setzte die ESt 1997 entsprechend fest. Einspruch, Klage und Revision hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Das FA habe zutreffend die streitigen Beträge aus der Rückzahlung der DAX-Zertifikate als steuerpflichtige Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG erfasst. Da sie keine von vornherein bezifferbare Emissionsrendite aufwiesen, seien die Kapitalerträge zu Recht in Höhe des Unterschieds zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Einlösung angesetzt worden.
Die Emittentin sei nur für den Fall eines gegenüber dem anfänglichen Verkaufspreis höheren DAX-Schlusskurses verpflichtet gewesen, einen über den anfänglichen Verkaufspreis hinausgehenden Betrag zu entrichten. Damit habe es von der künftigen Entwicklung des DAX-Kurses als einem ungewissen Ereignis abgehangen, ob und ggf. in welcher Höhe ein über den anfänglichen Verkaufspreis hinausgehendes Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung gewährt werden würde. Gegen die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bestünden auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Hinweis
1. Nach dem ursprünglichen System des § 20 EStG soll nur das Entgelt für die Überlassung von Kapital zur Nutzung besteuert werden. Davon abzugrenzen ist die bei Kapitalanlagen im Privatvermögen grundsätzlich – mit den Ausnahmen in §§ 17, 23 EStG – nicht steuerbaren Wertveränderungen selbst. Wertsteigerungen der Kapitalanlage sind nur ausnahmsweise insoweit Kapitalerträge, als in ihnen Nutzungsvergütungen enthalten sind (BFH, Urteil vom 2.3.1993, VIII R 13/91, BStBl II 1993, 602).
2. Der BFH hat nunmehr in mehreren Entscheidungen verschiedene Facetten der Besteuerung sog. Finanzinnovationen geklärt. Dabei kommt diesem Urteil die Bedeutung einer Leitentscheidung zu. Der Gesetzgeber hatte durch die Neuregelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG durch das StMBG vom 21.12.1993 (BGBl I 1993, 2310) die Erfassung verdeckter Zinserträge sicherstellen wollen. Im Zug des 1993 eingeführten Zinsabschlagsgesetzes war es zunehmend zu Kapitalanlageformen gekommen, bei denen der Zinsabschlag von 30 % bzw. die Einkommenbesteuerung dadurch vermieden werden sollte, dass der durch sie erzielte wirtschaftliche Vorteil als steuerfreier Kursgewinn und nicht als steuerpflichtiger Kapitalertrag erscheinen sollte.
3. Der BFH hatte indes im sog. Floater-Urteil vom 24.10.2000, VIII R 28/99 (BFH-PR 2001, 13) die Regelung als eine das System der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen durchbrechende Vorschrift in der Weise eng ausgelegt, dass Satz 2 in der Nr. 4 als reine Beweislastregelung zu verstehen sei, die grundsätzlich das Bestehen einer sog. Emissionsrendite i.S.d. Satzes 1 voraussetze. An dieser Rechtsprechung hatte der BFH trotz eines sog. Nichtanwendungserlasses (BMF, Schreiben vom 7.2.2000, BStBl I 2001, 149, zum Urteil vom 10.7.2001, VIII R 22/99, BFH/NV 2001, 1555) ausdrücklich festgehalten.
4. Daraufhin hat der Gesetzgeber durch das StÄndG 2001 vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3794) § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG dahingehend erweitert, dass die Marktrendite nach Satz 2 nicht nur bei fehlendem Nachweis, sondern auch bei Fehlen einer Emissionsrendite selbst zum Zug kommt. Die Regelung ist nach § 52 Abs. 37b EStG zudem rückwirkend auf sämtliche VZe anzuwenden, soweit die Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind.
5.§ 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG setzt stets voraus, dass es sich überhaupt um eine "sonstige Kapitalforderung" i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG handelt, bei der also entweder ein Nutzungsentgelt oder aber zumindest die teilweise Rückzahlung des Kapitals zugesagt bzw. gewährt wird. Reine Risikopapiere fallen also von vornherein nicht unter § 20 EStG.
6.§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG beschreibt den Tatbestand der steuerbaren Finanzinnovationen und regelt in der Nr. 4 Satz 2 Halbs. 1 die Bemessung der Höhe der fraglichen Einkünfte. Dabei kann bei der Vielzahl ständig neu entwickelter Finanzinnovationen der Begriff nicht positiv definiert, sondern lediglich negativ umschrieben werden. Es handelt sich um Kapitalforderungen ohne Emissionsrendite, bei denen nach der Art ihrer Gestaltung eine rechnerische Differenzierung zwischen einem vereinbarten Kapitalnutzungsentgelt und einer realisierten Wertentwicklung des Papiers nicht möglich ist, weil