Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Verbilligte Versicherungstarife durch einen Dritten sind steuerpflichtiger Arbeitslohn, wenn ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Vorteilsgewährung und der Arbeitsleistung besteht bzw. wenn die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Preisvorteile Gegenstand des Arbeitsvertrages ist. Der Arbeitgeber ist zum Lohnsteuerabzug verpflichtet, wenn er Kenntnis von der konkreten Erbringung der Preisvorteile durch Dritte hat oder wenn er diese hätte erkennen können.
Sachverhalt
Gegenstand des Klageverfahrens war zunächst die Frage, ob verbilligte Versicherungstarife zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören, wenn sie den Arbeitnehmern einer Konzerngesellschaft von Versicherungsunternehmen gewährt werden, die ebenfalls zum Konzern gehören. Außerdem ging es um die Frage, ob die Arbeitgeberin Kenntnis von der Vorteilsgewährung hatte und daher zum Lohnsteuerabzug verpflichtet war.
Die Klägerin war eine AG, die Mitglied eines Konzerns war. Nach einer Rahmenvereinbarung konnten ihre Mitarbeiter von Versicherungsunternehmen des Konzerns verbilligte Versicherungstarife in Anspruch nehmen. Die jeweiligen Arbeitsverträge enthielten Hinweise auf diese Rahmenvereinbarung. Die gewährten Tarifvorteile wurden von der Arbeitgeberin nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen, da es nach ihrer Auffassung an einem konkreten Veranlassungszusammenhang zwischen der Arbeitsleistung der Mitarbeiter und den verbilligten Tarifen fehlte. Die Finanzverwaltung behandelte die Tarifvorteile dagegen als steuerpflichtigen Arbeitslohn von dritter Seite. Gegen die Arbeitgeberin wurden Haftungsbescheide erlassen, weil ihr die Preisvorteile, die die Arbeitnehmer von den Versicherungsunternehmen erhielten, bekannt waren. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Das FG wies die Klage ab. Bei den verbilligten Versicherungstarifen handelt es sich um Arbeitslohn von dritter Seite. Entscheidend sind - so das FG - die arbeitsvertraglichen Regelungen über die mögliche Inanspruchnahme der verbilligten Tarife. Diese Regelungen lassen erkennen, dass die Arbeitnehmer die Tarifvorteile als zusätzliches Entgelt für ihre persönliche Arbeitsleistung bei der Arbeitgeberin angesehen haben. Die fehlenden Vereinbarungen zwischen der Arbeitgeberin und den Versicherungsunternehmen sind daher nicht von Bedeutung. Die Arbeitgeberin musste die geldwerten Vorteile dem Lohnsteuerabzug unterwerfen, auch wenn sie keine positive Kenntnis von konkreten Vorteilsgewährungen hatte. Sie hätte jedoch erkennen können, dass den Arbeitnehmern die Preisvergünstigungen gewährt wurden. Dieses "Erkennen können" ist nach Auffassung des FG zu bejahen, wenn der Arbeitgeber an der Verschaffung der Vergünstigungen mitgewirkt hat, z.B. wie im Streitfall durch Abschluss einer Rahmenvereinbarung.
Im Ergebnis ist der Haftungsbescheid gegen die Arbeitgeberin nach der Auffassung des FG rechtmäßig.
Hinweis
Das FG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BFH zugelassen. Die Rechtslage ist derzeit noch unklar. Dies gilt sowohl für die Steuerpflicht der Vorteilsgewährung von dritter Seite als auch für die Haftung des Arbeitgebers für die Lohnsteuer der betroffenen Arbeitnehmer.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 28.10.2011, 8 K 3176/08