Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
§ 13b Abs. 2 Satz 2 UStG ist dahingehend einschränkend auszulegen, dass bei Werklieferungen oder sonstigen Leistungen i.S.d. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG die Steuerschuldnerschaft nur dann auf den Leistungsempfänger verlagert wird, wenn der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet.
Normenkette
§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 UStG, Art. 199 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 MwStSystRL, § 48b EStG
Sachverhalt
Der Kläger war überwiegend als "Bauträger" tätig. Er bezog im Jahr 2007 von einer GmbH Rohbauarbeiten für ein Wohn- und Geschäftshaus auf dem Grundstück A‐Straße in B.
Für die geleisteten Arbeiten erteilte die GmbH zunächst zwischen April 2007 und Oktober 2007 an den Kläger zwölf Abschlagsrechnungen, in denen sie auf die angeforderten Abschlagszahlungen § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG anwandte und den Kläger auf eine Steuerschuldnerschaft als Leistungsempfänger hinwies. Der Kläger meldete die Umsatzsteuer aus den Umsätzen der GmbH in seinen Umsatzsteuer-Voranmeldungen an und führte diese ab.
In der Schlussrechnung vom 17.12.2007 hingegen wies die GmbH Umsatzsteuer offen aus.
In seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 4. Quartal 2007 erklärte der Kläger erhaltene Bauleistungen gem. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG, für die er als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schulde, mit einer negativen Bemessungsgrundlage.
Das FA folgte dem nach Durchführung einer Außenprüfung nicht, sondern ging im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das 4. Quartal 2007 davon aus, dass gem. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG der Kläger als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer für die an ihn erbrachten Bauleistungen schulde.
Das FG wies die Klage ab (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.5.2011, 9 K 5187/08, Haufe-Index 2740151, EFG 2012, 282).
Entscheidung
Die Revision des Klägers war begründet; sie führte aufgrund der im Leitsatz dargestellten einschränkenden Auslegung des § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Dabei hat der XI. Senat klargestellt, dass nicht entscheidungserheblich ist, ob sich die Beteiligten über die Handhabung der Steuerschuldnerschaft ursprünglich einig waren und ob möglicherweise der Leistungsempfänger dem Leistenden eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG vorgelegt hatte. Denn § 13b UStG stellt den Übergang der Steuerschuldnerschaft zur Sicherung des Steueranspruchs nicht zur Disposition der Vertragsparteien.
Hinweis
Der XI. Senat des BFH folgt mit diesem Urteil der Auffassung des V. Senats des BFH in dessen Urteil vom 22.8.2013, V R 37/10 (BStBl II 2014, 128, BFH/PR 2014, 53).
Das BMF hat auf die neue Rechtsprechung sehr schnell reagiert und bereits mit Schreiben vom 5.2.2014 (BStBl I 2014, 233) den UStAE entsprechend geändert.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.12.2013 – XI R 21/11