Vincent Dorgerloh, Dr. Häcker Markus
Zusammenfassung
In diesem Artikel werden Praxiserfahrungen beim Aufbau digitaler Geschäftsmodelle innerhalb eines zu einem Konzern gehörenden Inkubators gezeigt. Dabei ergeben sich zwei zentrale Herausforderungen für die Steuerung: Einerseits die Steuerung der digitalen Geschäftsmodelle selbst und andererseits die Anbindung an die Vorgaben eines Unternehmens (Unternehmensorganisation) sowie die systemseitige Abbildung der digitalen Geschäftsmodelle.
1 Einführung
Das Besondere bei der Steuerung von digitalen Geschäftsmodellen im B2B-Bereich ist, dass sich das Augenmerk des Controllings auf zwei völlig unterschiedliche Phasen bezieht. So muss es nicht nur den Inkubationsprozess unterstützen, der verschiedene Phasen zur Ideenentwicklung mit dem Ziel abbildet, Start-ups als Wachstumsbeschleuniger zu unterstützen. Diese Phase befindet sich vor der Markteinführung des Produkts. Umsatz-, Deckungsbeitrags- oder Rentabilitätskennzahlen können somit nicht erhoben werden. Bereits hier zeigt sich ein Unterschied zum "Ansatz des Unternehmenscontrollings". Das Controlling muss nach erfolgreicher Markteinführung auch in der Lage sein, das Wachstum des digitalen Geschäftsmodells bestmöglich zu unterstützen. Auch in dieser Phase unterscheiden sich die Ziele und die von ihnen abgeleiteten Steuerungsgrößen oftmals von bereits am Markt etablierten Unternehmen, bzw. im vorliegenden Fall von den Steuerungsgrößen des Konzerns. Dem Ansatz des Unternehmenscontrollings entsprechend wird in dieser Phase jedoch bereits auf die Periode Geschäftsjahr abgestellt und das Controlling unterstützt die Steuerung auf Kostenstellen- bzw. Gesellschaftsebene.
In diesem Artikel steht das Controlling des Inkubationsprozesses im Vordergrund. Auf das Controlling nach der Markteinführung, das "Unternehmenscontrolling", wird im Folgenden nicht näher eingegangen.
2 Controlling während des Inkubationsprozesses
Das Controlling des Inkubationsprozesses gliedert sich in die Phasen Understand & Ideate (Verstehen und Ideen finden), Define & Prototype (Definieren und Versuchsmodell bauen), Build (Herstellung) und Sell (Verkauf) und stellt somit den Inkubationszyklus dar. Ziel ist die Fokussierung auf das digitale Geschäftsmodell, was eine Unternehmensgründung mit entsprechender Ausgliederung zur Folge haben kann. Wichtig ist in jedem Fall, das Controlling bereits in einer frühen Phase mit einzubinden.
In der Phase Understand & Ideate, die im Durchschnitt erfahrungsgemäß zwischen 2 Wochen und 2 Monaten dauern kann, wird eine Ideensammlung durchgeführt. Von diesen einzelnen Ideen wird anschließend das Marktpotential ermittelt. Dabei werden das Marktsegment, potenzielle Wettbewerber sowie die Marktgröße und das mögliche Marktwachstum abgeleitet und bestimmt.
In einem nächsten Schritt werden Annahmen definiert, wie zum Beispiel: Was könnte die Idee zerstören? In der Problemdefinition wird die Problemkonstellation geklärt, anschließend der aktuelle Nutzen bewertet und potenzielle Nutzer-Segmente erarbeitet. Schließlich wird mit dem Value Proposition Canvas ein grobes Wertversprechen erarbeitet. Wie in Abb. 1 dargestellt, wird einem ausgewählten Kundensegment (Kreis) die Value Proposition (Quadrat) gegenübergestellt und damit aufgezeigt, wie ein Leistungsversprechen (links) die Bedürfnisse der Kunden (rechts) bedient. Bei der Betrachtung des Kundensegments werden in den Customer Jobs die Aufgaben bzw. Probleme beschrieben, die der Kunde gelöst bzw. erreicht haben will.
Mit Pains sind die Herausforderungen gemeint, mit denen der Kunde während der Lösung seiner Aufgaben konfrontiert wird und die ihm "Kopfschmerzen bereiten". Diese können auch dazu führen, dass eine Aufgabenerledigung im schlimmsten Fall unmöglich wird. Gains sind die positiven Ergebnisse, die der Kunde bei der Aufgabenerledigung erzielt. Sie spiegeln, wie sich der Kunde fühlt, sein Erfolgserlebnis beschreibt und was er mit der Aufgabenerledigung gewinnt.
Eine Problemlösung ist dann erreicht, wenn die Bedürfnisse des Kunden erfolgreich gedeckt werden, also die angebotenen Produkte (Products & Services) zu den Kundenaufträgen (customer jobs) passen und zu deren Lösung beitragen.
Schließlich wird die neue Geschäftsidee mit Hilfe des Lean Canvas Modells mit Schlüsselfaktoren strukturiert und in einem ersten Entwurf geprüft. Das in Abb. 2 dargestellte Modell schafft bei der Bearbeitung der einzelnen Felder Klarheit über die zu überprüfende Geschäftsidee und stellt die Basis für einen Business Plan dar. Das Modell gleicht einer Leinwand eines Malers ("Canvas") mit den bereits vorgezeichneten 9 Bausteinen, auf die neue oder bestehende Geschäftsmodelle aufgebracht werden können. Es ermöglicht das gleichzeitige Arbeiten mehrerer Personen am gleichen Thema und die gemeinsame Diskussion über einzelne Geschäftsmodellelemente. In einem letzten Schritt in dieser Understand & Ideate Phase wird ein Mentor definiert, der bei möglichen Problemen coacht.
Abb. 1: Value Proposition Canvas
Ist die Phase Understand & Ideate abgeschlossen, begi...