Dipl.-Kfm. Christian Huck, Mona Knauf
Plattformbasierte Geschäftsmodelle sind keine Erfindung der "digital economy". Auch in traditionellen Unternehmen, z. B. bei Telekommunikationsanbietern, Energieversorgern oder im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, finden wir diese vor. Skalierbarkeit ist auch hier gegeben – wenn auch nicht vergleichbar zu den globalen Dimensionen, die "Digitals" an den Tag legen. Aus Sicht einer (finanziellen) operativen Steuerung lohnt sich für Plattformanbieter dennoch der Blick auf Konzepte und Instrumente dieser etablierten Branchen. Da Akzeptanz eine zentrale Voraussetzung für das Funktionieren von Steuerungskonzepten darstellt, zählt auch der kulturelle Aspekt zu den Kernherausforderungen.
2.1 Fachlich-inhaltliche Aspekte
Die Wertschöpfungskette von Plattformanbietern unterscheidet sich grundlegend von produzierenden Unternehmen, sodass althergebrachte Controllingwerkzeuge nicht weiterhelfen. Sie müssen erweitert bzw. angepasst werden:
Die zentrale Herausforderung für das Management von plattformbasierten Geschäftsmodellen liegt in der Andersartigkeit der Wertschöpfungskette. Im Gegensatz zu traditionellen Unternehmen muss die Wertschöpfungskette nicht mehr einem linearen Ansatz folgen. Die klassische Ordnung, nach der Werte im Unternehmen geschaffen und anschließend verkauft werden, wird durch frei zugängliche Plattformen abgelöst. Beispiele dafür sind Portale oder Apps, die mit steigender User-Anzahl exponentiell an Wert gewinnen. Das Management dieser Netzwerkeffekte gewinnt entscheidend an Bedeutung. Die Wertschöpfung in Produkten und Produktkategorien weicht der Wertentstehung durch die Benutzung der Plattform und die Interaktion der Nutzer selbst. Für das Netzwerkmanagement sind "frequency of use", "interaction success" und "user engagement" als Kennzahlen relevant, sodass die Erfolgsmessung plattformbasierter Geschäftsmodelle auf die Fähigkeit abzielt, monetarisierbare, wiederholbare und für beide Seiten vorteilhafte Interaktionen zu schaffen. Ein hoher Fixkostenanteil steht annähernd Null-Grenzkosten im Plattformbetrieb gegenüber. Die Zurechnung der Kosten und Erlöse auf die einzelne Transaktion bzw. die Interaktion mit dem Kunden ist kaum möglich. Zudem werden Geschäftsmodelle sowie die Aufbauorganisation häufig angepasst und ergänzt. Steuerungsinstrumente müssen entsprechende Flexibilität bieten und schnell adaptierbar sein.
Es wird deutlich, dass althergebrachte Controllingwerkzeuge diesen Ansprüchen weder auf strategischer noch auf operativer Ebene genügen. Neue finanzielle und nicht-finanzielle Kennzahlen müssen identifiziert werden. Während die Steuerungselemente sich in Abhängigkeit des Lebenszyklus des digitalen Unternehmens verändern, zeigt sich allgemein ein Trend zu prädiktiven Kennzahlen (sog. "leading indicators"), die auf Basis von Algorithmen und statistischen Modellen generiert und automatisiert bereitgestellt werden.
2.2 Kulturelle Aspekte
Die enormen Wachstumsgeschwindigkeiten von Plattformen stellen für das Management mit Blick auf die Mitarbeiter hinsichtlich Recruiting und Unternehmenskultur besondere Herausforderungen dar. So ändert sich der Arbeitsalltag hinsichtlich Teamzusammensetzung, Kommunikations- und Berichtswegen und Arbeitsinhalten oftmals in kurzen Abständen.
Den Recruitingaspekt betrachtend, ist gerade eine verheißungsvolle Plattformidee darauf angewiesen, dass motivierte, neugierige und leidenschaftliche Mitarbeiter eingestellt werden. Sie sollen die Vision tragen und mit aller Kraft vorantreiben, unternehmerisch nach neuen, besseren Lösungen suchen, ihr Wissen mit Kollegen teilen, den Kunden in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen, im Team kollaborativ zusammenarbeiten, neue Ideen wagen und verantwortungsvoll Risiken eingehen. Diese Mitarbeiter zu finden, ist zunächst eine Herausforderung für das Recruiting – ihre Motivation und Leistungsbereitschaft im Unternehmen selbst über alle Hürden und Veränderungen hinweg aufrecht zu erhalten, ist anschließend die maßgebliche kulturelle Herausforderung. Was bedeutet es für Gründer, von Beginn an eine Kultur aufzubauen, die die Wachstumsstrategie des Unternehmens fördert?
Im Zentrum einer solchen Kultur stehen unternehmensindividuelle Werte, die die tägliche Interaktion, den Austausch und die Kommunikation unter den Mitarbeitern beeinflussen. Hier bietet es sich für das Management an, in einem ersten Kulturdialog festzulegen, welche aktuell vorhandenen Werte bewahrt werden sollen (sog. Bewahrerwerte) und welche Werte noch verankert werden müssen, weil sie künftig von zentraler Bedeutung sein werden (sog. Treiberwerte). Hier kann das Kultur-Steuerrad helfen, erste Wert-Entwürfe mithilfe der elf Kultur-Elemente zu konkretisieren. Zentral ist jeweils die Frage "w...