Dipl.-Finanzwirt (FH) Nikolaus Zöllner, Cecilia Hardenberg
Stille Reserven oder stille Rücklagen werden im Gegensatz zu offenen Rücklagen nicht in der Bilanz ausgewiesen und sind für den Bilanzleser grundsätzlich nicht oder nur mit hohem Aufwand erkennbar. Stille Reserven entstehen oder werden gebildet:
- zwangsläufig, z. B. durch die Anwendung gesetzlicher Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften;
- durch Ausnutzen von gesetzlichen Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten;
- durch willkürliche Maßnahmen, z. B. Überbewertung von Rückstellungen;
- durch Schätzungsfehler, z. B. bei der Bewertung von Vorräten bei der Ermittlung der Herstellungskosten, bei der Bewertung von Drohverlustrückstellungen und der Schätzung der Nutzungsdauer von Gütern des Anlagevermögens.
Stille Zwangsrücklagen entstehen durch handelsrechtliche Aktivierungsverbote oder Bewertungsgebote. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten bilden die Obergrenze bei der Bewertung von Vermögensgegenständen und dürfen nicht überschritten werden – auch dann nicht, wenn die Wiederbeschaffungskosten aufgrund von Preisschwankungen (erheblich) höher liegen.
Stille Ermessensrücklagen entstehen, wenn im Handelsrecht Bilanzierungs- und Bewertungsspielräume unter Beachtung des Vorsichtsprinzips ausgenutzt werden. Sie entstehen z. B. durch Unterlassen einer Aktivierung eines Vermögensgegenstands, für den ein Aktivierungswahlrecht besteht (z. B. das Disagio als Rechnungsabgrenzungsposten nach § 250 Abs. 3 HGB) oder durch Vermögensgegenstände, die auf die Bewertungsuntergrenze außerplanmäßig abgeschrieben werden.
Stille Willkürrücklagen entstehen, wenn die im Handelsgesetzbuch eingeräumten Ermessensspielräume absichtlich überschritten werden. Dies kommt vor, wenn Rückstellungen willkürlich überbewertet werden oder aktivierungspflichtige Vermögensgegenstände nicht aktiviert werden.
Stille Schätzungsrücklagen entstehen durch Schätzungsfehler bei der Berücksichtigung künftiger Einflüsse, die sich auf Wertansätze auswirken. So kann es z. B. vorkommen, dass die Nutzungsdauer eines Vermögensgegenstands bei der Bemessung der Abschreibung zu kurz geschätzt wird oder noch werthaltige Forderungen unterbewertet werden.