1. Problemaufriss
Weil sich die erbschaftsteuerliche Steuerbefreiung vorgreiflich nach den familienrechtlichen Grundsätzen aus §§ 1373-1383 BGB richtet (§ 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG im Umkehrschluss), schlägt sich die Wertauswirkung latenter Steuern bei der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung aus erbschaftsteuerlicher Sicht schon nach dem Gebot der Folgerichtigkeit nieder.
Rechtfertigung der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 ErbStG: Die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 ErbStG wird schließlich durch den Umstand gerechtfertigt, dass der Erwerb von Todes wegen in dem Umfang der hypothetischen güterrechtlichen Ausgleichsforderung gem. § 1378 BGB i.V.m. § 1371 Abs. 2 BGB von der Besteuerung ausgenommen wird, weil
- der Erwerb von Todes wegen durch diesen familienrechtlichen Anspruch überlagert ist und
- das Nachlassvermögen insoweit vom Ehegatten im steuerlichen Sinne nicht unentgeltlich erworben wird.
Erhebliche Verschärfung der Steuerbefreiung: Die Steuerbefreiung wurde wegen der Regelung zur Wertbegrenzung nach § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG durch das JStG 2022 für Erwerbe ab 29.12.2020 bereits erheblich verschärft.
Beraterhinweis Die
- drastischen und
- kumulativ relevanten
erbschaftsteuerlichen Auswirkungen der Einbeziehung latenter Steuern auf § 5 Abs. 1 ErbStG veranschaulicht nachstehendes Berechnungsbeispiel nach dem Vorbild eines realen Besteuerungssachverhalts.
2. Berechnungsbeispiel
Nachfolgend werden die Auswirkungen von § 1376 Abs. 2 BGB zur Endvermögensberechnung unter Berücksichtigung latenter Ertragsteuerbelastungen anhand eines Berechnungsbeispiels verdeutlicht.
a) Sachverhalt
Der am 31.3.2021 (= Anwendungsbereich JStG 2020 ab 29.12.2020) verstorbene Erblasser E wird aufgrund gesetzlicher Erbfolge von seiner Ehefrau EF alleine (100 %) beerbt. Pflichtteilsansprüche bestehen nicht.
Das Nachlassvermögen setzt sich wie folgt zusammen:
GmbH-Anteil (Gutachterwert IDW S 1 gem. § 11 Abs. 2 S. 2 BewG),Anschaffungskosten: 250.000 EUR |
60.000.000 EUR |
Bankguthaben |
1.000.000 EUR |
Wertpapierdepot (Anschaffungskosten für Wertpapiererwerbe nach 31.12.2008: 100 T EUR) |
4.000.000 EUR |
nachrichtlich: Erbfallkosten |
100.000 EUR |
Die 100%ige GmbH-Beteiligung umfasst 20.000.000 EUR begünstigtes Vermögen gem. § 13b Abs. 2 ErbStG (einschließlich Kulanzabschlags gem. § 13b Abs. 7 S. 1 ErbStG), ohne dass sich Verschonungseinschränkungen aus § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG (sog. "90 %-Einstiegstest") ergeben.
Der Erblasser und die EF haben am 1.2.1985 die Ehe ohne abweichenden Güterstand (= Zugewinngemeinschaft) geschlossen. Das Anfangsvermögen betrug bei Eheschließung jeweils 0 EUR und beträgt bei EF am Todestag unverändert 0 EUR.
b) Fiktive Zugewinnausgleichsforderung gem. § 5 Abs. 1 ErbStG und Erbschaftsteuerberechnung
aa) Fiktiver Zugewinn gem. § 5 Abs. 1 ErbStG (ohne fiktive Ertragsteuerbelastung)
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E |
EF |
GmbH-Anteil (Gutachterwert IDW S 1 gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG) |
60.000.000 EUR |
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Bankguthaben |
1.000.000 EUR |
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Wertpapierdepot |
4.000.000 EUR |
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Endvermögen |
65.000.000 EUR |
0 EUR |
Zugewinn |
65.000.000 EUR |
0 EUR |
Zugewinnmehrbetrag |
65.000.000 EUR |
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Zugewinnausgleichsforderung (§ 1378 Abs. 1 BGB) |
32.500.000 EUR |
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Steuerpflichtiger Erwerb EF gem. § 10 Abs. 1 ErbStG |
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Reinnachlassvermögen (nach Erbfallkosten) |
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64.900.000 EUR |
Erbteil |
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64.900.000 EUR |
abzgl Zugewinnausgleichsforderung (§ 5 Abs. 1 ErbStG) |
32.500.000 EUR |
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*) Begünstigtes Vermögen, § 13b Abs. 2 ErbStG: 20.000.000 EUR; Erwerberanteil (= 100 %): 20.000.000 EUR; Verschonungsabschlag gem. § 13a Abs. 1 ErbStG: 17.000.000 EUR (85 % x 20.000.000 EUR).
bb) Fiktiver Zugewinn gem. § 5 Abs. 1 ErbStG (mit fiktiver Ertragsteuerbelastung)
Fiktive Ertragsteuerbelastung (persönlicher Steuersatz: 40 %)
GmbH-Anteil |
60.000.000 EUR |
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Anschaffungskosten |
-250.000 EUR |
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59.750.000 EUR |
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§ 17 Abs. 1 i.V.m. §§ 3 Nr. 40c, 3c Abs. 2 EStG (60 %) |
35.850.000 EUR |
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Einkommensteuertarif (40 %) |
14.340.000 EUR |
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Solidaritätszuschlag |
+788.700 EUR |
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latente Ertragsteuerlast GmbH-Anteil |
15.128.700 EUR |
15.128.700 EUR |
Wertpapiere |
4.000.000 EUR |
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Anschaffungskosten |
-100.000 EUR |
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3.900.000 EUR |
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Abgeltungsteuertarif, § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG (25 %) |
975.000 EUR |
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Solidaritätszuschlag |
+53.625 EUR |
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latente Ertragsteuerlast Wertpapiere |
1.028.625 EUR |
1.028.625 EUR |
latente Ertragsteuerlast gesamt |
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16.157.325 EUR |
Modifiziertes Endvermögen (nach Ertragsteuerlast) |
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Endvermögen |
65.000.000 EUR |
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latente Ertragsteuerlast |
-16.157.325 EUR |
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§ 1376 Abs. 2 BGB |
48.842.675 EUR |
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Zugewinnausgleichsforderung |
24.421.338 EUR |
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Reinnachlassvermögen (nach Erbfallkosten... |