1. Erbschaftsteuermandat = Beachtliche Komplexitätssteigerung
Mit der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Relevanz latenter Steuern erfährt das Erbschaftsteuermandat eine beachtliche Komplexitätssteigerung. Der notwendigerweise interdisziplinär agierende Berater wird sich mit dieser – vielleicht neuen – Herausforderung unausweichlich konfrontiert sehen.
2. Erbschaftsteuer-Finanzamt = Erhebliche Administrationsfolgen
Allerdings sind auch erhebliche Administrationsfolgen bei der Durchführung der Besteuerung durch das Erbschaftsteuer-Finanzamt zu bedenken, denen die schwerlich vollziehbare Aufgabe der unerlässlichen Beurteilung ertragsteuerlicher Folgen einer Veräußerungsgewinnbesteuerung zukommt, wenn sich Besteuerungsfragen rund um
- den Zugewinnausgleich oder
- einen Pflichtteilsanspruch
stellen.
Neue Deklarationspflichten in der Erbschaftsteuererklärung? Im Hinblick auf die Vermeidung erheblicher Erbschaftsteueradministrationsdefizite erscheint es schon deshalb obligatorisch, neue Deklarationspflichten in die Erbschaftsteuererklärung einzupflegen, denn den Steuerpflichtigen trifft letztendlich die Feststellungslast für eine Steuerbefreiung nach § 5 ErbStG.
3. Hinweise für die Beratungspraxis
Der versierte Berater wird sich vermutlich darauf einstellen müssen, dass sich die Angaben in der Erbschaftsteuererklärung zu § 5 Abs. 1 ErbStG deutlich intensivieren werden, weil die Auskunft in der "Anlage Erwerber" einen schlichtweg unzureichenden Informationsbeitrag zu dieser ohnehin fehlerlastigen Besteuerungsgrundlage leistet. Gegebenenfalls
- ist bis dahin auch eine Schätzungsbefugnis des Finanzamtes zu befürchten oder
- aus Verwaltungssicht wird die aufwendige Mitwirkung im Besteuerungsverfahren durch Erteilung von Auskünften im Zusammenhang mit der Anwendung von § 5 ErbStG eingefordert.
Mögliche verfahrensrechtliche Instrumente aus Beratersicht: Aus Beratersicht könnten sich die verfahrensrechtlichen Instrumente von
- tatsächlichen Verständigungen in anhängigen Vorgängen oder
- einem Beauskunftungsantrag nach § 89 Abs. 2 AO im Vorfeld eines beabsichtigten Güterstandswechsels
als hilfreich erweisen.
Themenaufgriff in den Grenzen des Verböserungsverbots? Soweit ersichtlich existiert überraschenderweise bisher keine Finanz-Rechtsprechung zum Thema "latente Steuer" im Kontext zu § 5 ErbStG, so dass der umsichtige Berater
- bei anhängigen Klageverfahren in Ehegattenbesteuerungsvorgängen bedenken sollte, dass es erstmalig zu einem Themenaufgriff in den Grenzen des Verböserungsverbots aus § 96 Abs. 1 FGO kommen könnte.
- Für laufende Einspruchsverfahren kommt hingegen eine Verböserung i.R. einer Gesamtüberprüfung des Steuerfalls durch das Erbschaftsteuer-Finanzamt in Betracht. Vertrauensschutzerwägungen aus § 176 AO oder der Einwand von Treu und Glauben dürften wohl kaum erfolgreich sein.
4. Möglichkeit einer "problembeseitigenden" Gesetzesänderung?
Mehr Wunschdenken als berechtigte Hoffnung dürfte die Möglichkeit einer "problembeseitigenden" Gesetzesänderung z.B. durch eine Anfügung in § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG mit der Formulierung "[...]; latente Steuern bleiben hierbei unberücksichtigt." sein, weil
- einerseits der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die Erbschaft- und Schenkungsteuer als Verkehrssteuer prägend ist – und deshalb ein solcher normspezifischer Durchbruch im Wechselspiel zwischen ErbStG und Zivilrecht nicht überzeugen kann und
- es andererseits schon regelrecht skurril anmutet, wenn der Abzug latenter Steuern bei der Wertermittlung nach § 1376 BGB aus besagten Gründen im Familienrecht offenbar etabliert ist und im Erbschaftsteuerrecht dieser Steuerparameter nicht zum Tragen käme.
5. Latente Steuerlast bei depotverwahrten Wertpapieren
Ergänzter Anzeigenumfang für die Mitteilung von Kreditinstituten? Im Zusammenhang mit der latenten Steuerlast bei depotverwahrten Wertpapieren wird es bereits aus pragmatischen Erwägungen unvermeidbar und im Interesse von
auch wünschenswert sein, den Anzeigenumfang für die Mitteilung von Kreditinstituten gem. § 33 Abs. 1 ErbStG zu ergänzen, indem das Muster 1 zu § 1 ErbStDV um die Angabe zu einem am Stichtag imaginären Veräußerungsgewinnbetrag gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG für Erwerbe nach dem 31.12.2008 (§ 52 Abs. 28 S. 11 EStG) als maßgebende, der Kapitalertragsteuer unterliegende Bemessungsgrundlage erweitert werden sollte, denn beiden Seiten dürfte die Ermittlung dieser steuerrelevante Größe ohne jene Unterstützung unzumutbar sein.
Dasselbe dürfte für Versicherungsunternehmen gem. § 33 Abs. 3 ErbStG für ihre Mitteilung gem. Muster 2 zu § 3 ErbStDV gelten, damit sich eine Ertragsteuerberechnung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG für "Neuverträge" ab 1.1.2005 für Zwecke des § 5 ErbStG beziffern lässt.