Wie wirken sich latente Steuern auf die fiktive Zugewinnausgleichsforderung bei der erbschaftsteuerlichen Ehegattenbesteuerung aus?
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. (FH) René Sobisch, StAR
Aus Beratersicht gehören ertragsteuerliche Fragestellungen der Gesellschafterbesteuerung selbstverständlich zur unerlässlichen Arbeitsroutine bei der Betreuuung des GmbH-Mandats. Dass Wertsteigerungen in der GmbH-Beteiligung bei einem tatsächlichen Entstrickungsvorgang einer Besteuerung nach §§ 17, 20 oder 23 EStG sowie gegebenenfalls bei Auslandsbezug nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG oder § 6 AStG unterliegen, sind hierbei ohne Zweifel anspruchsvolle Problembereiche aus ertragsteuerlicher Perspektive. Aus erbschaftsteuerlichem Blickwinkel kommt dem Ergebnis einer fiktionalen Ertragsbesteuerung stiller Reserven aus der GmbH-Beteiligung ungeahnte Bedeutung zu, weil sich die latente Steuer auf den Veräußerungsgewinn folgenschwer bei der Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung auswirkt.
I. Der erhebliche Effekt latenter Steuern auf die Unternehmensbewertung i.R.d. Zugewinnausgleichs
Die erbschaftsteuerliche Ehegattenbesteuerung hat naturgemäß eine hohe praktische Bedeutung in der Beratungspraxis und fordert den Berater regelmäßig bei der Beurteilung und Berechnung des fiktiven Zugewinnausgleichsanspruchs für Erbschaftsteuerzwecke, wenn
- beim Sterbefall
- der gesetzliche oder durch Ehevertrag modifizierte Güterstand der Zugewinngemeinschaft vorliegt und
- hierdurch die Besteuerung des überlebenden Ehegatten als Vermächtnisnehmer oder Erbe
- durch die Steuerbefreiung gem. § 5 Abs. 1 ErbStG beeinflusst wird.
Hypothetische einkommensteuerliche Veräußerungsgewinnbesteuerung: Der erhebliche Effekt latenter Steuern auf die Unternehmensbewertung i.R.d. Zugewinnausgleichs, welcher nach dem Ergebnis einer hypothetischen einkommensteuerlichen Veräußerungsgewinnbesteuerung wertreduzierend zu berücksichtigen ist, wurde zuletzt durch den Aufsatzbeitrag von Freidank, Ubg 2024, 251 nachdrücklich verdeutlicht.
Ziel des Beitrages: Veranlasst durch diesen Impulsbeitrag soll nachfolgend
- den gravierenden erbschaftsteuerlichen Implikationen latenter Steuern i.R.d. § 5 Abs. 1 ErbStG und
- weiteren Konsequenzen aus dem Blickwinkel der Erbschaft- und Schenkungsteuer
nachgegangen werden.
II. Zivilrechtliche Grundlagen
1. Wertbestimmung
Wirklicher Wert gem. §§ 1376 Abs. 1, 1376 Abs. 2 BGB: Nach ständiger BGH-Rechtsprechung und herrschender Literaturmeinung sind die Vermögenspositionen im Anfangs- und Endvermögen der Ehegatten mit dem sog. wirklichen Wert gem. §§ 1376 Abs. 1, 1376 Abs. 2 BGB zu erfassen.
Wertmindernder Abzug der Ertragsteuerbelastung: Dieser stellt – gegenstandsbezogen für den jeweiligen Vermögensgegenstand – auf dessen Realisationswert unter wertmindernden Abzug der am Stichtag anfallenden Ertragsteuerlast ab. Beachten Sie: Eine Veräußerungsabsicht oder eine tatsächliche Veräußerung ist hierbei ausdrücklich unerheblich.
Halbteilungsgrundsatz: Dieses Ergebnis ergibt sich aus dem in § 1378 Abs. 1 BGB normierten Halbteilungsgrundsatz. Demnach stützt sich die Zugewinnausgleichsberechnung auf eine strenge "Nachsteuer-Nettobetrachtung".
2. Betroffene Vermögenspositionen
Der Abzug der Ertragsteuerbelastung anhand der individuellen Besteuerungsverhältnisse einer simulativen Einkommensteuerveranlagung betrifft sämtliche steuerverstrickte Vermögenspositionen wie typischerweise
- Betriebsvermögen in Gestalt freiberuflicher Praxen, gewerblicher Unternehmen und Gesellschaftsbeteiligungen bei gewerblichen Personen- und Kapitalgesellschaften, aber
- ausdrücklich auch Vermögensgegenstände des Privatvermögens wie Grundstücke, Wertpapiere oder Lebensversicherungsansprüche.
Beraterhinweis Bei der gutachterlichen Unternehmensbewertung
- ist der Ertragsteuerbelastungseffekt bereits in der Wertfindung IDW S 13 zu inkludieren und
- ggf. sogar ein gegenläufiger abschreibungsbedingter Steuervorteil (sog. tax amortisation benefit – TAB) werterhöhend zu berücksichtigen.