Leitsatz
1. Dem in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG verwendeten Begriff des räumlichen Zusammenhangs lässt sich nicht entnehmen, dass die Einspeisung des in einem begünstigten Blockheizkraftwerk erzeugten Stroms in das öffentliche Stromnetz in jedem Fall zu einem Ausschluss der Steuerbefreiung führt.
2. Von einer Entnahme des Stroms in räumlichem Zusammenhang zu der von § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG begünstigten Anlage kann dann ausgegangen werden, wenn der in der Anlage erzeugte Strom der Stromversorgung von ausschließlich innerhalb einer kleinen Gemeinde ansässigen Letztverbrauchern dient.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 StromStG
Sachverhalt
Ein Energieversorgungsunternehmen liefert Strom an Letztverbraucher; hierfür betreibt es eine Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage in Form eines Blockheizkraftwerks mit einer Nennleistung von 1,16 MW. Den bei der Wärmeerzeugung anfallenden Strom speist es in das von ihr unterhaltene, öffentliche Niederspannungsnetz ein. Bei nicht ausreichender Stromerzeugung kauft die Klägerin Strom von einem überörtlichen Versorger hinzu.
Entscheidung
Der BFH hat die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung trotz Nutzung des allgemeinen Stromnetzes bejaht. Er erkennt keinen Anhaltspunkt dafür, dass in die Vorschrift ein weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal i.d.S. aufgenommen werden sollte, dass eine Berührung des öffentlichen Stromnetzes zum Ausschluss der Steuerbegünstigung führt. Eine solche Beschränkung würde vielmehr den Anwendungsbereich der Vorschrift derart einengen, dass eine Gefährdung des Normzwecks nicht ausgeschlossen werden könnte.
Wo die räumlichen Grenzen für die Verwendung begünstigten Stroms aus KWK-Anlagen genau verlaufen, ist in dieser Entscheidung offen geblieben. Der BFH scheint sie aber großzügig abstecken zu wollen und z.B. die Versorgung eines ganzen Wohngebiets oder eines ganzen Gewerbeparks für zulässig zu halten. Siehe hierzu schon BFH, Urteil vom 20.4.2004, VII R 44/03 (BFH-PR 2004, 463).
Hinweis
1. Die steuerliche Förderung bestimmter Arten der Stromerzeugung sieht sich der Schwierigkeit ausgesetzt, dass bei der Leistung von Strom eine Nämlichkeitssicherung nicht möglich ist. Es findet kein Transport einer körperlich individualisierbaren Ware statt. Deshalb ist es unmöglich festzustellen, wo z.B. in einer KWK-Anlage erzeugter Strom hingeleitet und verbraucht worden ist. Nur über den Abgleich von eingeleiteter und entnommener Menge, ggf. durch zeiterfassende Regeltechnik, die indes kompliziert und teuer ist, lässt sich verbrauchter Strom einem bestimmten Erzeuger bzw. einer bestimmten Stromerzeugungsanlage "zuordnen".
2.§ 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG befreit Strom von der Steuer, wenn er in Anlagen mit einer Nennleistung bis zu 2 MW erzeugt und in räumlichem Zusammenhang zu dieser Anlage entnommen und von demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, geleistet wird. Es sollte damit die nicht flächendeckende oder regionale Versorgung begünstigt werden, nämlich eine Versorgung durch (relativ kleine) Anlagen, in denen Strom objektbezogen erzeugt und zur Verfügung gestellt wird (BTDrucks. 14/2044, 11). Nach einer Verwaltungsanweisung des BMF (VSFN 62 2001 Nr. 453) soll indes der in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG für eine Stromsteuerbefreiung geforderte "räumliche Zusammenhang" zwischen der Stromerzeugungsanlage und den Entnahmestellen nicht gegeben sein, wenn der Strom in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Der BFH hat diese Beschränkung der Steuerbefreiung jedoch in der Besprechungsentscheidung grundsätzlich verworfen.
3. Anders als bei § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG spielt der Gesichtspunkt der "Leitungsbindung" allerdings in § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG eine wesentliche Rolle. Danach ist Strom von der Steuer befreit, wenn er aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt und aus einem ausschließlich aus solchen Energieträgern gespeisten Netz oder einer entsprechenden Leitung entnommen wird.
4. Beachten Sie neben dem StromStG auch die anderen Fördertatbestände für die Stromerzeugung in KWK-Anlagen, nämlich das Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung vom 19.3.2002 – KWKG – (BGBl I, 1092; Zahlung eines Zuschlags nach § 5 KWKG). Auch die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, wie z.B. Wasser- und Windkraft, wird außer durch das StromStG außersteuerlich gefördert (vgl. § 3 Abs. 1 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien [Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG -] vom 29.3.2000, BGBl I, 305; Verpflichtung für Netzbetreiber, den aus erneuerbaren Energien erzeugten Strom in ihr Netz einzuspeisen, ihn abzunehmen und nach den im Gesetz festgelegten Vergütungssätzen zu vergüten).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.4.2004, VII R 54/03