Leitsatz
1. Bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrages sind die Einkünfte und Bezüge, die das Kind im Kalenderjahr hat, um besondere Ausbildungskosten zu kürzen, und zwar unabhängig davon, ob sie durch Einkünfte oder Bezüge finanziert werden.
2. Besondere Ausbildungskosten sind dem Grunde und der Höhe nach solche tatsächlich angefallenen Aufwendungen des Kindes, die im Rahmen der Einkünfteermittlung als Werbungskosten zu berücksichtigen wären.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG
Sachverhalt
Die 1970 geborene Tochter (T) des Klägers studierte 1996 und war daneben nicht selbstständig tätig. Die Einkünfte der T betrugen nach Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags von 2000 DM rd. 15400 DM. Wegen Überschreitung des Jahresgrenzbetrags lehnte es die Familienkasse ab, Kindergeld zu gewähren; die Studiengebühren der T in Höhe von 7000 DM seien nicht zu berücksichtigen. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Die Studiengebühren seien als besondere Ausbildungskosten zu behandeln, und zwar – entgegen der Auffassung der Verwaltung – unabhängig davon, ob sie im In- oder Ausland anfallen.
Hinweis
Kindergeld (ebenso wie der Kinderfreibetrag) wird nur gewährt, wenn die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht überschreiten. Mit der vorliegenden Grundsatzentscheidung zu Satz 3 dieser Vorschrift wurde geklärt, dass besondere Ausbildungskosten des Kindes bei der Ermittlung des Grenzbetrags unabhängig davon abzuziehen sind, ob sie durch Einkünfte oder Bezüge finanziert werden.
Die Auslegung des Satzes 3 bereitete deshalb Schwierigkeiten, weil die Regelung erkennbar unvollständig ist. Sie spricht nur davon, dass Bezüge des Kindes, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind (also z.B. Stipendien) außer Ansatz bleiben; Entsprechendes gilt für Einkünfte, soweit sie für solche Zwecke verwendet werden. Nicht erwähnt sind jedoch Bezüge ohne Verwendungsbestimmung (z.B. Waisenrenten).
Bei Überschreiten des Jahresgrenzbetrags müssen dem Kind für den Unterhalt eigene Mittel in dem Umfang zur Verfügung stehen, dass der existenznotwendige Bedarf des Kindes nicht mehr bei den Eltern durch Kindergeld (Kinderfreibetrag) freigestellt werden muss. Mittel (seien es Einkünfte oder Bezüge, ob funktionsgebunden oder nicht), die für den ausbildungsbedingten Mehrbedarf verwendet werden, stehen dem Kind für den eigenen Unterhalt aber nicht zur Verfügung. Insbesondere aus Gründen der Gleichbehandlung war es deshalb geboten, auch Bezüge ohne Verwendungsbestimmung in die Regelung mit einzubeziehen.
Die vorliegende Entscheidung klärt auch grundsätzlich die Frage, welche besonderen Ausbildungskosten (ausbildungsbedingter Mehrbedarf) bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrags im Einzelnen zu berücksichtigen sind. Die Abgrenzung zu den Kosten der Lebensführung erfolgt in der Weise, wie dies im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses geschieht. Demgemäß sind z.B. Aufwendungen für Arbeitsmittel, Studiengebühren usw. außer Ansatz zu lassen. Aus Gründen der Gleichbehandlung und zur leichteren Handhabung sind dabei die jeweiligen steuerlichen Vorschriften nicht nur dem Grund, sondern auch der Höhe nach zu beachten (also z.B. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG für Fahrten zwischen Wohnung und Ausbildungsplatz).
Um den Kindergeldanspruch nicht zu gefährden, empfiehlt sich eine entsprechende Beweisvorsorge. Sie sollten Wert darauf legen, den ausbildungsbedingten Mehraufwand des Kindes durch entsprechende Belege (z.B. für Studienbücher, Arbeitsmittel, Fahrtkosten, Druckkosten einer Diplomarbeit) nachweisen zu können.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.11.2000, VI R 62/97