2.2.1 Überblick
Der Gesetzgeber hat im Wege eines Treaty Override Regelungen im innerstaatlichen Recht geschaffen, die in bestimmten Fällen die abkommensrechtlich gebotene Freistellung durch die Anwendung der Anrechnungsmethode ersetzen und die Abweichung vom DBA anordnen. Das BVerfG hat die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit eine Treaty Override bestätigt.
2.2.2 § 20 Abs. 2 AStG
§ 20 Abs. 2 AStG setzt – neben der im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte stets gegebenen Beherrschung durch inl. Stpfl. – eine niedrige Besteuerung i. S. v. § 8 Abs. 5 AStG und das Nichtvorliegen der in § 8 Abs. 1 AStG genannten "aktiven" Einkünfte voraus. Durch Gesetz v. 20.12.2007 wurde die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7ff. AStG in Fällen von Kapitalgesellschaften als Reaktion auf die Rspr. des EuGH im Verhältnis zu den EU- und EWR-Staaten unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 AStG suspendiert. Dies galt infolge einer neuen Ausnahmeregelung jedoch nicht in den Fällen des § 20 Abs. 2 AStG. Diese Regelung wurde zwar durch das Gesetz v. 8.12.2010 um eine Spezialregelung für Dienstleistungen ergänzt, jedoch erfolgte keine vollständige Suspendierung der Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG in den EU- und EWR-Fällen. Problematisch ist insbesondere, dass das gewünschte Ziel nicht erreicht wird. Dieses besteht in der Anwendung der Freistellungsmethode auf Dienstleistungseinkünfte, die Teil von Unternehmensgewinnen sind und über ausl. Betriebsstätten vermittelt werden. Wörtlich lautet die Änderung: "Das (d. h. der Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode nach § 20 Abs. 2 S. 1 AStG, Anm. des Verfassers) gilt nicht, soweit in der ausl. Betriebsstätte Einkünfte anfallen, die nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. a als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären".
2.2.3 § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG
Hingegen knüpft § 50d Abs. 9 EStG an das Vorliegen eines Qualifikationskonflikts an. Dieser Qualifikationskonflikt muss dazu führen, dass die Einkünfte entweder gar nicht oder "nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz" besteuert werden können. Erfasst werden Fälle, in denen der Quellenstaat zwar aus deutscher Sicht das unbeschränkte Besteuerungsrecht hat, das Abkommen aber so anwendet, dass er die Einkünfte von der Besteuerung ausnimmt oder nur einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz unterwirft. Dies kann folgende Ursachen haben.
- Die Staaten beurteilen einen Sachverhalt unterschiedlich und subsumieren ihn deshalb unter unterschiedliche Abkommensbestimmungen.
- Regelungen des DBA werden durch den anderen Staat anders als in Deutschland ausgelegt.
- Infolge von Art. 3 Abs. 2 OECD-MA wird auf das Begriffsverständnis der jeweiligen Staaten zurückgegriffen, und die dort jeweils geltenden Regelungen führen zu einer abweichenden Qualifikation.
Nicht anwendbar ist § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG, wenn die Nichtbesteuerung im Quellenstaat nicht auf einer Auslegung des DBA beruht, sondern darauf, dass der Quellenstaat zwar nach übereinstimmender Auslegung das uneingeschränkte Besteuerungsrecht hat, trotzdem aber nicht besteuert. Eine nur begrenzte Besteuerung liegt vor, wenn der ausl. Staat von Dividenden, Zinsen und – nach einigen DBA auch – Lizenzen ausgeht und deshalb nur den im DBA genannten Quellensteuersatz anwendet. Etliche deutsche DBA sehen für Zinsen und Lizenzen kein Quellenbesteuerungsrecht vor.