Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit auch der Gewinn, der bei der Veräußerung des Vermögens oder eines Anteils am Vermögen erzielt wird, das der selbständigen Arbeit dient. Diese Regelung führt bei der Veräußerung einer freiberuflichen Praxis oder eines Praxisanteils zu erheblichen steuerlichen Konsequenzen.
Die steuerlichen Folgen können allerdings sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob die Veräußerung steuerbegünstigt ist oder nicht ( Freier Beruf ). Eine gemäß § 18 Abs. 3 EStG , § 34 EStG steuerbegünstigte Veräußerung setzt nach der Rechtsprechung – und nach der nahezu einhelligen Auffassung im Schrifttum – voraus, daß im Rahmen der Praxis-(Anteils-)Veräußerung alle wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen der freiberuflichen Tätigkeit auf den Praxis-(Anteils-)Erwerber übertragen werden. Zu diesen vermögensmäßigen Grundlagen gehören insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter wie die Beziehungen des Praxisinhabers zu seinen bisherigen Mandanten (bzw. Patienten).
Umstritten ist, ob zur Übertragung aller wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen auch die Aufgabe der freiberuflichen Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis gehört. Mit dieser Rechtsfrage setzt sich die obige Entscheidung auseinander. Sie betrifft einen an einer Gemeinschaftspraxis zu einem Drittel beteiligten Zahnarzt, der aus dieser Praxis ausschied (wobei er seinen Anteil an der Praxis auf die beiden übrigen Gesellschafter übertrug) und unmittelbar im Anschluß hieran eine neue Praxis am selben Ort eröffnete. Das Finanzamt hielt die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung nach § 18 Abs. 3 EStG , § 34 EStG nicht für gegeben, weil der aus der Praxisgemeinschaft ausgeschiedene Zahnarzt in räumlicher Nähe zu seiner bisherigen Wirkungsstätte freiberuflich tätig blieb und auf diese Weise mit den Erwerbern seines Praxisanteils – nämlich den beiden in der Praxis verbliebenen Zahnärzten – bezüglich der bisherigen Patienten in Konkurrenz trat. Den Gewinn aus der Veräußerung des Praxisanteils erfaßte das Finanzamt deshalb nicht als steuerbegünstigten, sondern als laufenden Gewinn. Der BFH hielt diese Sachbehandlung für zutreffend.
Den freiberuflich Tätigen wird dieses Urteil des IV. Senats des BFH als ein Schritt zurück erscheinen. Denn in einer anderen Entscheidung (BFH, Urteil v. 14. 9. 1994, I R 12/94, BStBl 1995 II S. 407) hatte es der I. Senat des BFH bei der Veräußerung nur eines Teils eines Praxisanteils im Rahmen der Änderung von Beteiligungsverhältnissen für nicht steuerschädlich gehalten, daß der Anteilsveräußerer seine Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis fortsetzt.
Angesichts der neuen Entscheidung ist noch anzumerken, daß nicht jedes weitere Tätigwerden des Praxisveräußerers „im bisherigen örtlichen Wirkungskreis” zum Verlust der Steuervergünstigungen führt:
l Eine steuerbegünstige Praxisveräußerung liegt auch dann vor, wenn der Erwerber der Praxis den Veräußerer als Angestellten oder freien Mitarbeiter beschäftigt. Denn in diesem Fall verfügt nicht der Veräußerer, sondern der Erwerber über die Vorteile aus dem Mandantenstamm; die Verträge mit den Mandanten werden auf Rechnung des Erwerbers abgeschlossen (BFH, Urteile v. 18. 5. 1994, I R 109/93, BStBl 1994 I S. 925 und v. 29. 6. 1994, I R 105/93, BFH/NV 1995 S. 109).
l Nicht steuerschädlich ist auch eine Fortsetzung der freiberuflichen Tätigkeit im bisherigen örtlichen Wirkungskreis, wenn diese Tätigkeit nur in geringem Umfang ausgeübt wird. Der Umfang der Tätigkeit ist gering, wenn die Umsätze weniger als 10% der früheren jährlichen Einnahmen ausmachen (BFH, Urteile v. 7. 11. 1991, IV R 14/90, BStBl 1992 II S. 457 und v. 29. 10. 1992, IV R 16/91, BStBl 1993 II S. 182).