Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Eine teilweise Umwandlung eines Entschädigungsanspruchs wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes zugunsten der betrieblichen Altersversorgung stellt keine die Anwendung von § 34 EStG ausschließende Teilauszahlung einer einheitlichen Entschädigung dar. Die Auszahlung nur eines Versorgungsguthabens bei einer aus zwei Versorgungskonten bestehenden betrieblichen Altersversorgung steht der Anwendung der Tarifermäßigung nicht entgegen.
Sachverhalt
Streitig war die Anwendung der Tarifbegünstigung für außerordentliche Einkünfte auf eine Kapitalauszahlung im Zuge der Auflösung eines Versorgungsguthabens aus einer betrieblichen Altersversorgung. Die Steuerpflichtige hatte bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen im Wege der Gehaltsumwandlung Einzahlungen in einen Vorsorgeplan getätigt. Im Jahr 2013 erhielt sie von ihrem Arbeitgeber wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung. Von der vereinbarten Abfindungssumme von insgesamt 361.598,96 EUR wurde im Wege der Entgeltumwandlung ein Betrag von 120.000,00 EUR in das Aufbaukonto der betrieblichen Altersversorgung eingezahlt. Als ermäßigt zu besteuernder Arbeitslohn für mehrere Jahre bescheinigte der Arbeitgeber für 2013 einen Betrag von 251.610,00 EUR, der so auch der Besteuerung für das Jahr 2013 zugrunde gelegt worden war. Die Zahlungen in die betriebliche Altersversorgung im Jahr 2013 wurden vom Finanzamt nach § 3 Nr. 63 EStG von der Besteuerung ausgenommen. Im Streitjahr 2015 erhielt die Steuerpflichtige das auf dem Aufbaukonto ausgewiesene Versorgungsguthaben in Höhe von 144.000,00 EUR nebst 475,20 EUR Zinsen als Einmalbetrag ausbezahlt . Daneben bezog sie vom Arbeitgeber im Streitjahr sowie in den Folgejahren bis zum 31. Mai 2019 Überbrückungsgeld wegen voller Erwerbsminderung. Dieses betrug im Streitjahr insgesamt 22.334,58 EUR und in 2016 insgesamt 18.604,32 EUR. Für die im Streitjahr zugeflossene Auszahlung des Versorgungsguthabens beantragte die Steuerpflichtige ebenfalls die ermäßigte Besteuerung. Dies lehnte das Finanzamt ab, weil die Kapitalauszahlung zu den Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 5 EStG zu zählen sei und insoweit eine Anwendung des § 34 EStG wegen des bereits in der Konzernbetriebsvereinbarung enthaltenen Wahlrechts auf Kapitalauszahlung nicht in Betracht komme. Im Rahmen des Einspruchsverfahren verböserte das Finanzamt den streitbefangenen Steuerbescheid, indem es nun von Einkünften gemäß § 19 EStG ausging.
Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Klage statt und entschied, dass die Auszahlung des Versorgungsguthabens aus dem Aufbaukonto in einem Betrag in Höhe von 144.475,20 EUR der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG unterliegt. Im Streitfall war die Auszahlung des Versorgungsguthabens nicht als Bestandteil der im Jahr 2013 vereinbarten Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes anzusehen und unterlag damit auch nicht den Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Bei der Auszahlung des Versorgungsguthabens in einem Betrag handelte es sich vielmehr um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Eine solche Vergütung liegt bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit vor, wenn sie auf einem Arbeitsverhältnis beruht, für mehrere Jahre erbracht wird und aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen in zusammengeballter Form erfolgt. Hierzu gehört auch die Auszahlung des Versorgungskapitals, das sich der Anspruchsberechtigte – wie im Streitfall – durch eine mehrjährige, länger als 12 Monate dauernde Tätigkeit erdient hat. Das Versorgungsguthaben des Aufbaukontos stammte zudem aus den über mehrere Jahre von der Steuerpflichtigen im Wege der Entgeltumwandlung geleisteten Beiträgen. Die Auszahlung des auf dem Aufbaukonto angesparten Versorgungsguthabens in einem Betrag führte zu einer atypischen Zusammenballung von Einkünften, die eine höhere Einkommensteuer auslösen könnte, als dies bei einem verteilten Zufluss der Einnahmen der Fall gewesen wäre. An der "Zusammenballung" und damit der "Außerordentlichkeit" der Einkünfte fehlte es auch nicht deshalb, weil die Steuerpflichtige neben der Auszahlung des auf dem Aufbaukonto angesparten Versorgungsguthabens im Streitjahr und den Folgejahren fortlaufend ein Überbrückungsgeld bezogen hatte. Die Leistung des Überbrückungsgeldes stellte keine Teilauszahlung eines einheitlichen Versorgungsanspruchs dar, denn das Überbrückungsgeld wird vom Arbeitgeber unabhängig vom Anspruch auf das jeweilige Versorgungskonto geleistet und unterliegt insoweit auch anderen Voraussetzungen.
Hinweis
Das FG hat die Revision zugelassen, da es bisher höchstrichterlich weder entschieden ist, ob eine teilweise Umwandlung eines Entschädigungsanspruchs wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes zugunsten der betrieblichen Altersversorgung eine die Anwendung des § 34 EStG ausschließende Teilauszahlung einer einheitlichen Entschädigung darstellt, noch, ob die Inanspruchnahme nur eines Versorgungsguthabens bei einer aus zwei Versorgungskonten be...