Leitsatz
Eine andere Ausschüttung i.S.d. § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F. setzt eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) bei einer Kapitalgesellschaft voraus, die sich zusätzlich durch einen tatsächlichen Mittelabfluss realisiert hat. Dies gilt auch im Fall verdeckter Gewinnausschüttungen.
Normenkette
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F. , § 27 Abs. 1 KStG a.F. , § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F. , § 30 KStG a.F. , § 41 Abs. 1 KStG a.F. , § 44 Abs. 1 KStG a.F.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, führte für ihre alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin ein Verrechnungskonto. Dieses wies Aktivbestände zwischen rd. 340.000 DM und 1,3 Mio. DM aus. Sicherheiten wurden der Klägerin nicht gegeben.
In der Bilanz zum 31.12. des Streitjahres 1995 wurde die Forderung um 963.905,66 DM wertberichtigt. Das FA behandelte die Wertberichtigung als vGA, für die die Ausschüttungsbelastung herzustellen sei.
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg (EFG 2003, 1039).
Entscheidung
Der BFH gab der Klage statt: Solange die Forderung nur wertberichtigt worden sei, fehle es an dem erforderlichen Mittelabfluss in Gestalt der Ausbuchung der Darlehensforderung. Folglich sei keine Ausschüttungsbelastung herzustellen.
Hinweis
1. Es ging um altes KSt-Recht, konkret um das Anrechnungsverfahren, das immer noch Streitfragen in sich birgt. Hier war es der Zeitpunkt, in dem nach §§ 27 ff. KStG a.F. die Ausschüttungsbelastung auf eine – unstreitig vorliegende – vGA herzustellen war, entweder (1) – nur – zu jenem Zeitpunkt, in dem die vGA als Vermögensminderung (oder verhinderte Vermögensmehrung) bei der Kapitalgesellschaft bilanziell in Erscheinung tritt, oder aber (2) der Zeitpunkt, in welchem sich jene Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zusätzlich durch einen tatsächlichen Mittelabfluss realisiert hat. Dieses Erfordernis des tatsächlichen Mittelabflusses ist für eine sog. andere Ausschüttung i. S.d. § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG a.F. an sich unverzichtbar. Das hat der BFH in ständiger Rechtsprechung judiziert.
2. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, bei einer vGA abweichend hiervon zu verfahren. Auch hier müssen Vermögensminderung und tatsächlicher Mittelabfluss zusammenkommen, um die Ausschüttungsbelastung herzustellen. An einem solchen Abfluss fehlt es aber (noch), wenn sich die besagte Vermögensminderung (nur) in Gestalt einer bilanziellen Wertminderung (im Urteilsfall die Teilwertabschreibung der Rückzahlungsforderung gegen den Gesellschafter aus einer unbesicherten und deswegen gesellschaftlich mit veranlassten Darlehensbegebung einer GmbH) darstellt.
Ein Mittelabfluss liegt erst dann vor, wenn die wertgeminderte Position aus dem Betriebsvermögen endgültig ausscheidet, bei der Forderung also, wenn sie jedenfalls tatsächlich (ggf. zusätzlich, aber nicht unbedingt auch rechtlich) ausfällt. Das kann der Zeitpunkt der Teilwertabschreibung sein, muss es aber nicht. Ausnahmsweise kann das auch mit der Darlehensbegebung zusammenfallen, dann nämlich, wenn von vornherein aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten als solcher feststeht, dass die Rückzahlungsforderung nicht werthaltig ist und dass sie sich nicht durchsetzen lässt.
3. Das Ganze ist – von wenigen offenen Fällen abgesehen – eigentlich Rechtsgeschichte, wäre da nicht § 38 Abs. 2 KStG n.F. und die danach drohende KSt-Erhöhung während der Zeit des Anrechnungs-Moratoriums. Hier kann die "Nach"-Verlagerung des Abflusszeitpunktes auch für die steuerliche Gegenwart Vorteile bieten, zum einen in liquiditätsmäßiger Hinsicht, auch unter Berücksichtigung der Verzinsung gem. § 233a AO, zum anderen dann, wenn es gelingt, den betreffenden Zeitpunkt nach dem Übergangszeitraum des § 38 Abs. 2 Satz 3 KStG n.F. zu verschieben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.7.2004, I R 16/03