Jörg Hanken, Guido Kleinhietpaß
Autor: Jörg Hanken
Wenn ernsthaft erreicht werden soll, dass die VP-Strategie und die daraus resultierenden VP-Konzepte und VP-Methoden konzernintern korrekt angewendet werden, um z. B. einerseits etwaige VP-Risiken (Doppelbesteuerung, Strafzuschläge etc.) zu reduzieren und um andererseits Optimierungschancen zu realisieren, dann müssen passende VP-Prozesse implementiert werden – und zwar unter Berücksichtigung arbeitsteiliger Verantwortungen sowie der Nutzung der vorhandenen oder neuer EDV-Systeme. Dies ist ein umfangreiches Unterfangen, das – wie jedes Strategie-Umsetzungsprojekt – Know-how, Durchsetzungsvermögen, Hartnäckigkeit, eine gewisse Leidensfähigkeit und nicht zuletzt Geduld erfordert.
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, welche Prozesse sinnvollerweise automatisiert werden können und sollten, mit welcher Methode und Software eine professionelle Prozessdarstellung und -modellierung erfolgen sollte und wie man diese Prozesse mit Automatisierungs-Software ohne weitere Zusatzarbeit zum Leben erweckt.
4.4.3.1 Automatisierbare VP-Prozesse
Wenn man sich den kompletten VP-Zyklus vor Augen führt, dann erkennt man, dass nicht alle Schritte des VP-Zyklus für eine Automatisierung geeignet sind. Beispielsweise ist die Entwicklung einer VP-Strategie im Wesentlichen ›Kopfarbeit‹ von erfahrenen Experten aus den Bereichen Business, Controlling und Steuern. Auch bei der VP-Verteidigung geht es im Wesentlichen um die Beantwortung von Fragen von Finanzverwaltungen und um die Entwicklung möglichst starker Verteidigungsargumentationen – und das erfordert ebenfalls ›Kopfarbeit‹ der o. g. Experten.
Letztlich verbleiben nachfolgend erwähnte Kernprozesse, die unbedingt automatisiert werden sollten,
- um die vorhandenen Mitarbeiter-Ressourcen von sich wiederholenden, mühsamen, undankbaren und wenig wertschöpfenden Tätigkeiten zu entlasten,
- um deren Zeit für spannendere und wertschöpfendere Arbeiten wie z. B. Detail-Analysen, Optimierungen und Gestaltungen einzusetzen,
- um unterjährig zumindest monatlich automatisch erzeugte Auswertungen zu erhalten, die das Erreichen oder Verfehlen von Zielmargen zeigen,
- um unterjährig Gegenmaßnahmen umsetzen zu können, falls Zielmargen nicht erreicht werden sollten, um Jahresendanpassungen möglichst zu vermeiden
- und um letztlich zu erreichen, dass die in der VP-Richtlinie gesetzten Ziele tatsächlich umgesetzt werden.
Kernprozess VP-Setzung und Margen-Monitoring:
Folgende Darstellung veranschaulicht einen idealen stark vereinfachten VP-Setzungs- und Margenmonitoring-Prozess unter Involvierung der Fachabteilungen Steuern, Controlling sowie IT in Form eines Swim-Lane-Diagramms:
Abb. 12: Vereinfachter VP-Setzungs- und Margenmonitoring-Prozess
Dieser Prozess, der heute bei vielen Konzernen noch sehr manuell und mithilfe von Excel umgesetzt wird, kann mittlerweile vollständig durch Softwarelösungen automatisiert werden. Für weitere Ausführung zu derartigen Lösungen für Warenlieferungen wird auf Kapitel 4.4.7 und für Dienstleistungsverrechnungen auf Kapitel 4.4.8 verwiesen.
Zu den fachlichen Anforderungen der VP-Setzungs- und VP-Margen-Monitoring-Prozesse wird auf Kapitel 4.5 verwiesen.
Kernprozess VP-Dokumentation:
Würde der oben erwähnte VP-Setzungs- und VP-Margen-Monitoring-Prozess in den Konzernen reibungslos und gemäß VP-Richtlinie funktionieren, dann entsprächen die Ist-Margen den Zielmargen, sodass man davon ausgehen könnte, dass sämtliche Verrechnungspreise fremdüblich und insofern tax compliant sind. Somit wäre das eigentliche und wichtigste Ziel erreicht. Die Erstellung der weltweiten VP-Dokumentation wäre dann nur noch eine Zusammenfassung der umgesetzten Sachverhalte, die sich bei den meisten Konzernen nicht stark von Jahr zu Jahr verändern. Idealerweise würde man die VP-Dokumentation vom Vorjahr kopieren und ›nur noch‹ die Zahlen anpassen. Allerdings ist die Komplexität des VP-Dokumentationsprozesses in der Praxis dann doch oft deutlich komplexer, was vor allem an den folgenden Herausforderungen liegt:
- ›Einsammeln der Zahlen‹: Bei den allermeisten Konzernen besteht die Hauptaufgabe darin, die sogenannte Intercompany-Matrix (= Tabelle aller konzerninternen Transaktionen mit Angabe der Gesellschaften, der Transaktionstypen und -volumen, VP-Methoden etc.) zu erstellen sowie die (segmentierten) Gewinn- und Verlustrechnungen der Gesellschaften weltweit einzusammeln. Auch die Abstimmung der Zahlen mit den Verantwortlichen der je Transaktion involvierten Gesellschaften ist oft äußerst zeitintensiv. Dies ist vor allem ein Prozessthema, aber auch eine Frage der sinnvollen Definition der Datenanforderung (z. B. group GAAP vs. local GAAP, Zahlen aus der Buchhaltung, aus Rechnungen, aus Cashflow-Bewegungen etc.).
- Eine zu hohe Anzahl von unterschiedlichen Transaktionstypen und eine zu starke Veränderung dieser zum Vorjahr erhöhen den Dokumentationsaufwand erheblich.
- Sehr heterogene Geschäftsmodelle, Gesellschaftsbeschreibungen und Charakterisierungen erfordern zu viele individuelle Texte, die gepflegt und ggfs. aktualisiert werden müss...