An dieser Stelle soll beispielhaft erläutert werden, welche Möglichkeiten die indische Finanzverwaltung bietet und warum dies durchaus interessant für Steuerpflichtige sein kann. In Indien sind seit 2012 unilaterale verbindliche Auskünfte ("unilateral APA/ruling") zu VP-Sachverhalten möglich. Abbildung 140 zeigt die Anzahl der Verfahren seit 2012:
Abb. 140: Übersicht unilateraler APAs in Indien.
Das indische APA-Programm entspricht im Wesentlichen der international gängigen Praxis und Ausgestaltung. So hat der Steuerpflichtige zum Beispiel – wie auch in Deutschland – die Möglichkeit eines Vorgespräches mit der Finanzbehörde auf anonymer Basis ("Pre-filing Meeting"). Der APA-Zeitraum bzw. die Laufzeit des APA beträgt bis zu fünf Jahre.
Ein APA in Indien kommt grundsätzlich für alle Arten von konzerninternen Transaktionen in Betracht (z. B. Waren- und Dienstleistungsverkehr, Finanzierung, Übertragung oder Nutzung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern, Funktionsverlagerungen).
Die nachfolgenden Abbildungen zeigen, welche Transaktionsarten in den 2018 bis 2019 abgeschlossenen unilateralen APAs (insgesamt 41 Stück) im Einzelnen vertreten sind und wie sich diese auf die verschiedenen Sektoren verteilen:
Abb. 141: Übersicht über die unilateralen APAs in Indien nach Transaktionsart.
Abb. 142: Übersicht über die unilateralen APAs in Indien nach Industrie
Die indischen APA-Regelungen enthalten keine konkreten zeitlichen Vorgaben über die Verfahrensdauer für den erfolgreichen Abschluss eines APA. Mehr als die Hälfte der Fälle konnte jedoch innerhalb eines Zeitraums von 48 Monaten abgeschlossen werden, wie Abbildung 143 verdeutlicht (durchschnittliche Bearbeitungsdauer in 2018 und 2019 unterzeichneter unilateraler APAs):
Abb. 143: Übersicht über die Dauer der unilateralen APAs in Indien.
Warum sind diese unilateralen APAs/rulings insbesondere in Indien so stark nachgefragt? Das liegt an der Tatsache, dass man sich in Indien mühsam durch die jeweiligen BP-Instanzen bzw. BP-Hierarchien hochkämpfen/argumentieren muss, bis man bei der obersten Behörde angekommen ist, mit der man eigentlich erst vernünftige Lösungen erzielen kann. Die untersten Behörden treffen erfahrungsgemäß sehr oft absurd hohe und unbegründete Erstfeststellungen. Da man das unilaterale APA gleich mit der obersten Behörde verhandelt, spart man sich den langen und ressourcenintensiven Weg über die Zwischenebenen. Dies ist vielleicht der praxisrelevanteste Grund für solche Verfahren.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass derartige ausländische lokale APAs/rulings natürlich für die deutsche Finanzverwaltung nicht bindend sind. Doppelbesteuerungsrisiken bleiben bestehen.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass in jedem Fall die bilateralen den unilateralen Verständigungen vorzuziehen sind. Allerdings zeigt sich im Falle von Indien, dass es durchaus sehr starke Gründe dafür gibt, sich dennoch unilateral zu einigen, um zukünftig zumindest in diesem einen Land "Ruhe" zu haben, was letztlich erheblich Zeit, Kosten und Nerven spart.