Verrechnungspreise, Zoll und Umsatzsteuern sind in unterschiedlichen Rechtsgebieten geregelt, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Faktisch bewerten sie jedoch alle wirtschaftlichen Transaktionen zwischen Unternehmen. Im Unterschied zu Verrechnungspreisen, die lediglich Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen zum Gegenstand haben, ist der Regelungskreis von Zöllen und Umsatzsteuern weiter gefasst. Denn die rechtlichen Regelungen stellen nicht nur auf die Bewertung von Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen ab, sondern auch auf Transaktionen zwischen unverbundenen Unternehmen oder auch zwischen Unternehmen und Privatpersonen bzw. Hoheitsträgern. Trotz fehlender Harmonisierung und rechtlicher Überschneidungen der Rechtsgebiete stellt sich die Frage, ob die nach Verrechnungspreisgrundsätzen gebildeten Transferpreise zollwertrechtlich und umsatzsteuerrechtlich anzuerkennen sind. Diese Frage stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund unterschiedlicher Zielsetzungen.
Die verrechnungspreisrechtlichen Regelungen, forciert durch BEPS, sollen sicherstellen, dass Unternehmen ihre Gewinne in dem Land versteuern, in dem die durch die wirtschaftlichen Aktivitäten des Unternehmens hervorgerufene Wertschöpfung stattfindet. Die zollrechtlichen Regelungen knüpfen die Besteuerung an den Import von Waren, während die umsatzsteuerrechtlichen Regelungen auf die Lieferung oder die Erbringung von Dienstleistungen abstellen. Importiert ein Unternehmen Waren aus dem Drittland nach Deutschland, liegt es aus zollwertrechtlicher Sicht im Interesse des Unternehmens, hierfür einen möglichst niedrigen Preis anzusetzen, um die Bemessungsgrundlage zur Ermittlung der Zollabgaben zu minimieren. Wegen geringerer Betriebsausgaben steigt dadurch jedoch das ertragsteuerlich zu versteuernde Ergebnis in Deutschland.
Der Fiskus hat entsprechend ebenfalls gegenläufige Interessen bei der Kollektierung von Ertragsteuern und Zöllen: Die Steuerbehörde wird versuchen, das Steuersubstrat in Deutschland so hoch als möglich einzuschätzen. Dies gelingt lediglich durch die Anerkennung möglichst geringer Verrechnungspreise. Die Zollbehörde hingegen begegnet niedrigen Verrechnungspreisen zwischen verbundenen Unternehmen stets mit Skepsis. Obwohl beide Rechtssysteme einen durch die Verbundenheit unbeeinflussten sog. "Arm’s length price" zum Ziel haben, nähern sie sich diesem mit gegenläufigen Interessen.
Während Ertragsteuern und Zölle definitive Kosten für ein Unternehmen darstellen, handelt es sich bei der Umsatzsteuer bei voll zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmen lediglich um einen durchlaufenden Posten. Allerdings steht bei Unternehmen zunehmend im Fokus, einen negativen Cashflow-Effekt, hervorgerufen durch die Zeitspanne zwischen Zahlung der Umsatzsteuer und deren Rückerstattung als Vorsteuer, weitestgehend zu vermeiden.
International hat insbesondere die divergierende Motivation zur Ermittlung des zutreffenden Transferpreises einerseits bzw. des zutreffenden Zollwerts andererseits bislang wenig Beachtung gefunden. Insofern ist es begrüßenswert, dass die OECD das Thema "Zoll" aufgreift. Sie stellt allerdings lediglich fest, dass die Bewertungsmethoden aus Zoll- und VP-Sicht nicht harmonisiert sind, ein Austausch der jeweiligen Zollwerte bzw. VP-Dokumentationen für beide Behörden jedoch hilfreich sein kann. In der Praxis ist es in der Tat mittlerweile Usus, dass Zollprüfer routinemäßig VP-Dokumentationen anfordern, um den "Arm’s length"-Charakter des als Zollwert angemeldeten Verrechnungspreises anzuerkennen. "Master File" und "Country-by-Country-Reporting" sind allerdings auch hervorragende Quellen für die Zollverwaltung, um über andere zollwertrelevante Faktoren (z. B. Lizenzzahlungen oder R&D-Kosten) Kenntnisse zu erlangen. Unternehmen sollten daher sicherstellen, dass ihre Zoll- und Steuerabteilungen bei der Erstellung der VP-Dokumentation zusammenarbeiten, um die zoll- und steuerlichen Konsequenzen richtig einschätzen oder gar optimieren zu können.
Umgekehrt scheint es bei den VP-Prüfern noch keine gängige Praxis zu sein, Zollunterlagen einzusehen. Eine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Steuer- und Zollverwaltung bei der Prüfung von Verrechnungspreisen ist in Deutschland ebenfalls (noch) nicht etabliert.
Neben der OECD hat sich auch die Weltzollorganisation (WCO) des Themas "Zölle und Verrechnungspreise" angenommen und einen "Guide to Customs Valuation and Transfer Pricing" herausgegeben. Dieser dient vorrangig der Aufklärung, enthält allerdings auch "Best Practices" im Umgang mit Verrechnungspreisen und Zöllen für Gesetzgeber, Steuerverwaltungen und Unternehmen. Darüber hinaus hat die Weltzollorganisation gemeinsam mit der OECD bereits zwei Konferenzen abgehalten, in denen technische Aspekte sowie die Möglichkeit der Annäherung beider Rechtsgebiete diskutiert wurden. Der Technische Zollwertausschuss der Weltzollorganisation hat seither das Thema wiederkehrend auf seiner Agenda und bereits zwei Case Studies (Case Study 14.1...