Ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen zwei Staaten, der das Besteuerungsrecht für unterschiedliche Einkunftsarten (z. B. Betriebsstätten, Einkünfte aus Immobilien, verbundene Unternehmen, Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren, Rente etc.) dem Einkunftsquellen- oder dem Wohnsitzstaat zuweist. Damit soll die Doppelbesteuerung aber auch die doppelte Nichtbesteuerung ("weiße Einkünfte") dieser Einkünfte vermieden werden. Ein DBA geht jedoch nicht so weit, dass es Regelungen über die Entstehung eines Besteuerungsrechts oder die Höhe der Einkünfte enthält. Die VP-relevanten Artikel des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) sind:
- Art. 5 – Betriebsstätte
- Art. 7 – Unternehmensgewinne
- Art. 9 – Verbundene Unternehmen (Fremdvergleichsdefinition)
- Art. 10 – Dividenden
- Art. 11 – Zinsen
- Art. 12 – Lizenzgebühren
- Art. 23A – Befreiungsmethode (Betriebsstätte)
- Art. 23B – Anrechnungsmethode (Betriebsstätte)
- Art. 25 – Verständigungsverfahren
- Art. 26 – Informationsaustausch
- Art. 27 – Amtshilfe bei der Erhebung von Steuern
Deutschland hat mit mehr als 90 Staaten DBAs abgeschlossen. Das BMF veröffentlicht regelmäßig eine Liste dieser Staaten. Aktuell besteht z. B. kein DBA mit Brasilien und Saudi-Arabien. Mit der Türkei wurde erstmals seit 1985 wieder ein Abkommen im September 2011 abgeschlossen.
In diesem Zusammenhang hat die Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2017 das mehrseitige Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Multilaterales Instrument – MLI) vom 24. November 2016 unterzeichnet. Das MLI zielt als OECD Aktionspunkt 15 darauf ab, die auf DBA bezogenen Empfehlungen des OECD/G20-BEPS-Projekts schnell und möglichst umfassend im DBA-Netzwerk der derzeit fast 100 an den Verhandlungen beteiligten Jurisdiktionen umzusetzen. Der Bundestag hat dem MLI mit Zustimmung des Bundesrates durch das Gesetz vom 22. November 2020, das am 28. November 2020 in Kraft getreten ist, zugestimmt. Das MLI wurde im Dezember 2020 ratifiziert und ist für die Bundesrepublik Deutschland am 1. April 2021 in Kraft getreten.
Es gilt jedoch festzuhalten, dass das MLI nicht gegenüber sämtlichen Teilnehmern des mehrseitigen Übereinkommens ratifiziert wurde, sondern lediglich gegenüber folgenden 14 weiteren Staaten: Österreich, Kroatien, Tschechien, Frankreich, Griechenland, Ungarn, Italien, Japan, Luxemburg, Malta, Rumänien, Slowakei, Spanien und Türkei.
Aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland werden demnach nur 14 DBAs durch das MLI modifiziert und eben nicht die DBAs mit sämtlichen weiteren Teilnehmern des mehrseitigen Übereinkommens. Auch andere Staaten wenden das MLI nur auf ausgewählte DBAs an, weshalb künftig eine individuelle Prüfung der Auswirkungen des MLI auf ein jeweiliges DBA sowie dessen Wirksamwerden dringend notwendig ist.
In Deutschland werden die Modifikationen durch das MLI jedoch erst wirksam, nachdem die Bundesrepublik Deutschland der OECD den Abschluss der im Hinblick auf ein erfasstes Steuerabkommen erforderlichen innerstaatlichen Maßnahmen gemeldet hat. Außerdem müssen die Entscheidungen für die Auswahl der DBA-Text-Modifikationen der Bundesrepublik Deutschland und des jeweils anderen Vertragsstaats durch ein Anwendungsgesetz konkretisiert werden.
Sowohl die Notifizierung als auch der Erlass von Anwendungsgesetzen sind bisher nicht erfolgt. Für die Praxis sollten daher die verfahrensrechtlichen Entwicklungen in Deutschland zum MLI verfolgt werden, um das Wirksamwerden des MLI für bestehende DBAs mit deutscher Beteiligung beurteilen zu können.