Autoren: Isabel Ruhmer-Krell, Ron Dorward
Im Rahmen der Veröffentlichung des BEPS-Abschlussberichts zu Aktionspunkt 1 (Bewältigung der steuerlichen Herausforderungen der digitalen Wirtschaft) vom 5. Oktober 2015 vereinbarte die OECD eine weitere Zusammenarbeit zu diesem Themengebiet, um im Rahmen des sogenannten "Inclusive Framework" bis zum Ende des Jahres 2020 einen gemeinsamen Vorschlag für die zukünftige internationale Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle zu erarbeiten. Die bisherigen Ergebnisse des Inclusive Framework (IF) und seine potenziell revolutionären Auswirkungen auf die seit Jahrzehnten geltenden Grundlagen der internationalen Besteuerung werden weitläufig unter dem Schlagwort "BEPS 2.0" zusammengefasst und in diesem Kapitel erläutert.
5.1.7.1 Zielsetzung und bisherige Ergebnisse des Inclusive Framework
In ihrer Erklärung vom 8. Oktober 2021 bekräftigt das IF nochmals ihr Ziel, ein multinationales Besteuerungskonzept für digitale Geschäftsmodelle basierend auf zwei verschiedenen Säulen (sog. Two-Pillar Approach) so weiterzuentwickeln, dass es 2023 in Kraft treten kann. Die Erklärung vom 8. Oktober 2021 zeigt die Architektur des neuen zweisäuligen Besteuerungskonzepts auf und soll die Grundlage für die Ausarbeitung der detaillierten Implementierung bilden.
Seit dem finalen BEPS-Bericht vom 5. Oktober 2015 bis zu dieser Erklärung war es ein weiter Weg mit vielen Veröffentlichungen und Konsultationen, der teilweise bereits von unilateralen Maßnahmen einzelner Länder sowie parallel laufenden Bestrebungen der EU begleitet wurde, wie dem Zeitstrahl in Abbildung 66 entnommen werden kann.
Sollte die OECD ihr Ziel bis Ende 2022 tatsächlich erreichen, so würde sie mit der Neuverteilung von Besteuerungsrechten anhand eines neuen steuerlichen Anknüpfungspunktes unter "Pillar 1" nichts anders als eine neue Weltsteuerordnung einführen, die die bestehenden Grundsätze der internationalen Besteuerung von Unternehmensgewinnen revolutioniert und dem Fremdvergleichsgrundsatz (zumindest in Teilen) widerspricht. Darüber hinaus soll mit der Einführung einer globalen Mindestbesteuerung unter "Pillar 2" der Verschiebung von Unternehmensgewinnen in Niedrigsteuerländer bzw. Länder ohne entsprechende Besteuerung begegnet werden.
Das Wichtigste ist jedoch, dass Pillar 1 jetzt nicht mehr nur für digitale, sondern für alle Geschäftsmodelle und Unternehmen gelten soll. Das ist eine massive Ausweitung des ursprünglich geplanten Geltungsbereichs. Pillar 2 galt und gilt grundsätzlich für alle Industrien.
Abb. 66: Chronologische Darstellung der "Digital Service Tax (DST)"-Maßnahmen der G20/OECD, der EU und einzelner Staaten
Im Rahmen der Erklärung vom Oktober 2021 haben die IF-Mitglieder nochmals ihre Zielsetzung bekräftigt, die verbleibenden offenen (Detail-)Fragen zu klären und bis Ende 2022 eine konsensbasierte Lösung zu erarbeiten, die im Jahr 2023 implementiert werden kann. In ihrem Bericht an die G20 Finanzminister und Zentralbanker vom Februar 2022 hat die OECD die nächsten Schritte wie folgt dargestellt:
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Pillar 1 |
Pilla 2 |
Anfang 2022 |
Text der Multilaterial Convention ("MLC") und Begründung zur Umsetzung von Betrag A zu vereinbaren. |
Modellregeln für GloBE zu vereinbaren. |
Mitte 2022 |
Modellregeln für die nationale Umsetzung der ersten Säule sind zu vereinbaren. Hochrangige Unterzeichnungszeremonie für das MLC. |
Mustervertragsbestimmung zur Umsetzung der Subject-to-tax-Regel (STTR). Multilaterales Instrument (MLI) für die Umsetzung von STTR in bilateralen Verträgen. |
Ende 2022 |
Abschluss der Arbeiten an Betrag B. |
Umsetzungsrahmen zur Erleichterung einer koordinierten Umsetzung der GloBE-Regeln. |
2023 Implementierung der Zwei-Säulen-Lösung |
Inzwischen kann man fast davon ausgehen, dass die BEPS 2.0 Regeln, zumindest in vielen Ländern, kommen werden. Vor allem mit der (partiellen) Abkehr vom klassischen Fremdvergleichsprinzip für die wertschöpfungsadäquate Allokation von Konzerngewinnen auf die Konzerngesellschaften stellen die Pillar 1 und Pillar 2 Regeln eine grundlegende Änderung des internationalen Steuerrechts dar.
Als wesentliche Kriterien für diese neue Besteuerungskonzept nennt das IF Rechtssicherheit bei möglichst geringer Komplexität.
Die inzwischen weit fortgeschrittenen Vorbereitungen der OECD deuten darauf hin, dass wahrscheinlich viele Länder BEPS 2.0 in nationales Recht umsetzen werden. Sollte dies nicht der Fall sein, droht Steuerpflichtigen in Zukunft noch größere Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle und es ist mit einem starken Anstieg von Doppelbesteuerungsfällen und daraus resultierenden Verständigungsverfahren zu rechnen. Eines kann aus Sicht der Autoren jedenfalls bereits festgestellt werden: Das Ziel einer möglichst geringen Komplexität ist zumindest bei den aktuellen OECD- und EU-Richtlinien zu Pillar 2 erheblich verfehlt worden.
5.1.8. OECD Pillar 1
Die erste Säul...