Christof K. Letzgus, Dr. Ronald Gebhardt
Wie eingangs dargelegt, bezweckt das Brexit-StBG vornehmlich die punktuelle Sicherstellung, dass der Brexit für sich genommen nicht ohne weitere tatsächliche Änderungen/Disposition zu einer steuerlichen Gewinnrealisierung führt.
Allerdings nimmt das Ertragsteuerrecht in einigen weiteren Vorschriften, die die laufende Besteuerung betreffen, ebenfalls Bezug auf die Ansässigkeit von Rechtsträgern bzw. Personen oder die Zugehörigkeit von Wirtschaftsgütern zu einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR. Insofern sieht das Brexit-StBG keine Erleichterungen vor.
Kurz vor dem Brexit wurde doch noch wirksam ein Austrittsabkommen vereinbart, das in Art. 126 einen Übergangszeitraum bis zum 31.12.2020 vorsieht, in dem das Unionsrecht weiter gilt (Art. 127 Abs. 1 des Austrittsabkommens). Damit greift nun auch § 1 des Brexit-ÜG, nach dem das VK im deutschen Bundesrecht in diesem Zeitraum grundsätzlich im Übergangszeitraum noch als EU-Mitgliedstaat galt.
Diese Regelung war jedoch auf den Übergangszeitraum beschränkt. Aufgrund der lediglich punktuellen Regelungen im Brexit-StBG konnte es im Einzelfall dazu kommen, dass mit Ablauf der Übergangsfrist allein die juristische Statusänderung zu steuerlich nachteiligen Konsequenzen für die betroffenen Steuerpflichtigen führte, sofern diese dafür nicht rechtzeitig vor Ablauf des Übergangszeitraums Vorsorge getroffen hatten.
2.2.1 §§ 14 Abs. 1 und 17 Abs. 1 KStG
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 erster Satzteil i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG kann eine Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland und Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR unter weiteren Voraussetzungen Organgesellschaft für Zwecke einer körperschaftsteuerlichen Organschaft sein. Gleiches gilt für Gewerbesteuerzwecke, denn § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG setzt eine körperschaftsteuerliche Organschaft i. S. d. §§ 14 und 17 KStG voraus.
Das Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrags stößt bei EU-Gesellschaften mit Ort der Geschäftsleitung im Inland oftmals auf das praktische Hindernis, dass eine Eintragung am Sitz des abhängigen Unternehmens nicht möglich ist, die Finanzverwaltung dies aber im Zusammenhang mit der Erfüllung der Organschaftsvoraussetzungen verlangt. Vor diesem Hintergrund forderte die EU-Kommission im Rahmen ihrer Befugnisse nach Art. 258 AEUV zuletzt Deutschland auf, Gewinnabführungs- und Verlustübernahmeverträge, die nach dem Recht eines anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaates abgeschlossen werden, als gleichwertig anzuerkennen (Pressemitteilung vom 25.07.2019, Punkt 8, https://ec.europa.eu/germany/news/20190725-vertragsverletzungsverfahren; s. a. Geberth, GmbHR 2019, R269).
Unabhängig davon, inwieweit das Recht des VK den Abschluss eines wirksamen, den deutschen Anforderungen genügenden Gewinnabführungsvertrags zulässt: Die im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV höchst zweifelhafte Anforderung eines gesellschaftsrechtlich wirksamen Gewinnabführungsvertrags in § 14 i. V. m. § 17 KStG kann i. d. R. in anderen EU-Ländern und mithin auch gegenüber einer britischen Tochtergesellschaft nicht ohne Weiteres erfüllt werden.
Vor diesem Hintergrund werden in der Literatur mit guten Gründen auch schuldrechtliche Verträge mit ähnlichem wirtschaftlichen Gehalt wie ein Gewinnabführungsvertrag für taugliche Ersatzmittel anstelle eines Gewinnabführungsvertrags mit einer EU-Tochtergesellschaft gehalten; zur EU-rechtlichen Problematik s. instruktiv z. B. Brink in Schnitger/Fehrenbacher, § 14 KStG, Rz. 242, 244, zu § 14 KStG m. w. N.; für britische Gesellschaften s. a. Bron, BB 2019, 667, Herbst/Gebhardt, DStR 2016, 1705, 1713.
Die OFD Frankfurt hat auf das von der EU-Kommission angestrengte Vertragsverletzungsverfahren gegenüber Deutschland inzwischen reagiert und lässt unter engen Voraussetzungen auch vergleichbare ausländische Vereinbarungen zu, sofern sie nur – entweder als solche oder als Teil einer Satzungsänderung – in ein dem Handelsregister vergleichbares Register eintragen werden (vgl. RdVfg vom 12.11.2019, S 2770 A-55-St 55, inzwischen ersetzt durch RdVfg vom 09.07.2020, S 2770 A-55-St 55, FMNR527310019).
Eine britische Konzerngesellschaft erfüllt die persönliche Voraussetzung (Sitz in einem EU-Mitgliedstaat) nach dem Brexit bzw. dem Ablauf des Übergangszeitraums jedoch nicht mehr. Dies gilt unbeschadet dessen, dass diese britische Konzerngesellschaft durchaus weiter i. S. v. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG in das Unternehmen eines inländischen Organträgers finanziell eingegliedert sein kann.
Da die Organschaftsregelungen eine Mehrheit der stimmberechtigten Anteile des Organträgers an der Organgesellschaft voraussetzen, unterliegen sie nur den Regelungen der auf die Mitgliedstaaten der EU bzw. des EWR beschränkten Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV bzw. Art. 31 EWRA), nicht jedoch der grundsätzlich auch für Drittstaateninvestitionen greifenden Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV bzw. Art. 40 EWRA; zur Abgrenzung zwischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit s. a. Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union, § 3 Rz. 96 f. m. w. N. ...