Wie in Teil A, Kapitel 1, Abbildung 2 gezeigt, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Zwecke, für die Verrechnungspreise eingesetzt werden. Auch hier gilt das alte Prinzip, dass unterschiedliche Ziele i. d. R. auch zu unterschiedlichen Lösungsansätzen führen (müssen). Es gibt daher nicht den einen (richtigen) Verrechnungspreis. Leider wird in der innerbetrieblichen Praxis überwiegend ein Verrechnungspreistyp für alle Einsatzzwecke verwendet. Dafür gibt es verschiedene Begründungen – angefangen beim Mehraufwand der Datenerhebung und Systempflege bis hin zur mangelnden Vermittlungsfähigkeit zweier paralleler Systeme gegenüber den Mitarbeitern wie auch gegenüber dem Kapitalmarkt.
Der Leiter einer Controllingabteilung formulierte dies im Seminar einmal so: ›Wenn ich einen Nagel in die Wand hauen will, dann nehme ich einen Hammer. Und wenn ich verschiedene Nägel in die Wand hauen muss, dann nehme ich noch immer denselben einen Hammer – egal, welche Größe der Nagel gerade hat. Je nach Dicke und Länge des Nagels geht es mal etwas einfacher oder mühsamer, aber deshalb werde ich mir kein Sortiment verschiedener Hämmer zulegen. So wie mir ein Hammer genügt, so genügt mir auch ein Verrechnungspreis.‹ Das klingt zunächst pragmatisch und einleuchtend. Jedoch stellt sich die Frage, wofür der Kollege bei seinem Bestreben zur Vereinheitlichung überhaupt noch verschiedene Nägel benötigt? Genügt dann nicht auch der ›Einheits-Nagel‹? Hat er noch Schrauben, Muttern, Unterlegscheiben?
Im übertragenen Sinne lautet die Antwort: Differenzierte Instrumente ermöglichen unterschiedliche Sichtweisen und Analysen. Dem Hobby-Heimwerker mag eine einfache Ausrüstung genügen, der Profi ist meist umfassend ausgerüstet, weil er weiß, dass er beim Werkzeug am sprichwörtlich ›falschen Ende‹ spart. Die Breite und Tiefe der Ausrüstung hängt von den Aufgaben ab. Eine mögliche Einteilung wäre in Anlehnung an Coenenberg:
Kostenorientierte Verrechnungspreise |
Marktpreisorientierte Verrechnungspreise |
Besondere Varianten der Verrechnungspreise |
Grenzkosten |
Externe Marktpreise unkorrigiert |
Verhandlungslösung (Service Level Agreements; SLA) |
Grenzkosten plus getrennte Fixkostenumlage/Monat |
Externe Marktpreise minus entfallende Beschaffungsnebenkosten |
Knappheitspreise (inkl. Opportunitätskosten) |
Vollkosten/Selbstkosten |
Eigene Listenpreise minus entfallende Beschaffungsnebenkosten |
Doppelte Verrechnungspreise |
Vollkosten plus Gewinnaufschlag (= Marktpreis, vgl. Kapitel 18.1) |
Eigene Listenpreise minus Kosten des eigenen Vertriebs |
Gewinnpooling |
|
Marktpreise mit Sonderkonditionen |
|
Abb. 179: Übersicht interner Verrechnungspreismethoden
Das betriebswirtschaftliche Instrumentarium ist damit sehr differenziert ausgestaltet. Verschiedene Ziele der Verrechnungspreise können damit umgesetzt werden. Das ist kein Plädoyer für eine Vielzahl parallel verwendeter Verrechnungspreise innerhalb des Unternehmens. Im Gegenteil: ›Lean controlling‹ ist erstrebenswert. Ein aufwendiges System muss seinen Nutzen nachweisen können, sonst ersetzt es der Controller besser durch eine einfachere Variante. Wir sprechen vielmehr ein Plädoyer für die gezielte, auf die Rahmenbedingungen abgestimmte Auswahl von Verrechnungspreisen aus dem Instrumentenkasten. Denn eine ungenaue Steuerung kann ebenfalls sehr teuer werden, sofern sie zu entgangenen Gewinnen führen kann. Wie die Auswahl sein soll, lässt sich leider nicht pauschal beurteilen, sondern nur sehr mühsam im Detail. Kosten, Verständnis der Lösung, Umsetzungsmöglichkeit und Nutzen sind miteinander abzuwägen.
Es soll an dieser Stelle ausdrücklich betont werden: Das externe Rechnungswesen erfüllt nicht immer in optimaler Weise die Firmeninteressen. Genau aus diesem Grunde existiert das interne Rechnungswesen/Controlling. Das lässt sich schon aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) erkennen: ›Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen‹, (§ 238 I Sätze 2 und 3 HGB). Da fragt sich der vorsichtige Kaufmann, ob es denn in seinem Interesse liegt, dass ein Dritter einen Überblick über seine Geschäftsvorfälle erhält. Oder ist maximaler Gläubigerschutz das Interesse des Unternehmens? Das ist ebenso unsinnig, wie die Maximierung des nationalen Steueraufkommens anzustreben.
Damit kein Missverständnis aufkommt – es sind alles berechtigte Zwecke, die der Gesetzgeber fordert und auch fördert, aber sie sind nicht die primären Ziele der Firma. Um beim Beispiel Steuern zu bleiben: Ist der für einen Sachverhalt (›Funktion‹) steuerlich zulässige Verrechnungspreis tatsächlich geeignet, um damit die Firma zu lenken? Wenn der steuerlich zulässige Preis gut für den Staat (im Sinne der Steuererzielung) ist, so bedarf es für die Unternehmung vermutlich eines anderen Preises, mit dem sie ihre Ziele innerhalb der Orga...