›Totgesagte leben länger‹, lautet ein bekannter Ausspruch. Für die Prozesskostenrechnung (PKR) möchte man hinzufügen ›… und erfreuen sich zunehmender Gesundheit‹. Die Auszeichnungen für erfolgreiche Umsetzungsprojekte, u. a. auch durch den Internationalen Controller Verein vergeben, sprechen für sich.
17.4.1 Ermittlung der Prozesskosten
Ein Grund für das wiedererwachte Interesse an der PKR ist gerade die Möglichkeit, unterstützende Tätigkeiten in den klassischen Gemeinkostenbereichen verursachungsgerecht auf Produkte, Kunden etc. verrechnen zu können. Damit wird eine bis dato vorhandene Lücke in der Kostenrechnung geschlossen. Voraussetzung für die Anwendung ist lediglich, dass es sich um regelmäßig wiederkehrende Vorgänge handelt. Prinzipiell wäre die PKR damit auch auf eine industrielle Fertigung anwendbar. Hier aber steht mit der flexiblen Grenzplankostenrechnung ein noch leistungsfähigeres Instrument zur Verfügung. Häufiger findet man das Instrument daher bei Dienstleistern.
Auch für das ewig interessante Thema der Kostenbeeinflussung bietet die Prozesskostenrechnung verschiedene Ansätze. Dazu zählen im Rahmen der Prozessoptimierung: Parallelisierung, Effizienzsteigerung, Engpassbeseitigung sowie Tätigkeiten, um Schnittstellen und Umwege zu eliminieren. Für die Ressourcensteuerung mittels ILV kann man die Prozessoptimierung in zwei Grundvarianten zusammenfassen:
- Einen Prozess seltener in Anspruch nehmen und
- die Kosten je Prozessdurchführung senken.
Ein hartnäckig sich haltendes Vorurteil unterstellt, dass eine PKR nur mit erheblichem Aufwand betrieben werden kann. Die oben angeführten Auszeichnungen zeigen, dass dies nicht sein muss. Die beiden wichtigsten Stellhebel zur Aufwandsminimierung lauten: Verwendung automatisierter Bezugsgrößen (vgl. Teil C, Kapitel 17.1.2) und Vereinfachungen bei der Rechnung. Je nach Informationsbedarf kann auf verschiedene Elemente und Ausprägungen der Prozesskostenrechnung verzichtet werden:
- Genügt ein Standardkostensatz oder braucht man differenziertere Zahlen? Es gilt weiterhin die Regel, ›Ist-Menge × Plankosten‹ zu verrechnen. Der geplante Wert wird als Standardkostensatz verwendet. Jedoch gibt es in vielen Shared-Servicecentern unterschiedliche Leistungen mit unterschiedlichem Aufwand. Dem kann durch einen Gewichtungsfaktor Rechnung getragen werden. Sollten die Abweichungen zwischen den Aufträgen so groß werden, dass die Beurteilung des einzelnen Kundenauftrags nicht mehr auf sinnvolle Weise vorgenommen werden kann (Stichwort Kundenergebnisrechnung, vgl. Teil C, Kapitel 17.4.4), so kann notfalls durch Zeiterfassung ein adäquater (nicht zwingend ein völlig exakter) Wert ermittelt werden.
- Auch bei der Zeiterfassung bietet es sich an, mit einem Gewichtungsfaktor zu arbeiten. Der Aufwand sollte auf das x-fache des üblichen (z. B. durchschnittlichen) Aufwands im EDV-System umgerechnet werden. So lässt sich wieder der Standardkostensatz verwenden. Nehmen wir beispielsweise Folgendes an: Im Rahmen der Wareneingangskontrolle wird eine Sichtprüfung von 2 Minuten bei sogenannten C-Teilen, also Standardteilen, durchgeführt. In Einzelfällen wird für A-Teile zusätzlich eine ausführliche Warenprüfung durchgeführt. Diese dauert je nach Teil zwischen 180 und 240 Minuten. Im (ungewichteten) Durchschnitt wären das 210 Minuten. Für A-Teile kann damit ein Gewichtungsfaktor von 105 zu C-Teilen angesetzt werden. Der Kostensatz eines C-Teils ist dann mit 105 zu multiplizieren, um die Prozesskosten der Wareneingangskontrolle für ein A-Teil zu erhalten.
- Letztlich ist es wichtiger, den Aufwand der Datenerhebung zu begrenzen, als die letzten 10-%-Genauigkeit zu erzeugen. Schließlich soll die Verrechnung zur effizienten Ressourcennutzung führen. Das schließt immer eine Kosten-Nutzen-Betrachtung mit ein. Wenn die zusätzliche Genauigkeit nicht zu einer Verhaltensänderung und damit zu einer Kostenbeeinflussung führt, dann ist es sinnvoller, auf diesen Detaillierungsgrad zu verzichten.
- Werden Teilkosten oder Vollkosten betrachtet? Welche Kostengröße richtig ist, hängt von der zu treffenden Entscheidung ab. Soll ein kurzfristiger Fremdvergleich oder eher eine Outsourcing-Entscheidung getroffen werden? Bei Zeiträumen, die sich über mehr als ein Jahr erstrecken, ist mit Zahlungen, d. h. mit einer Investitionsrechnung, zu arbeiten.
- Im Tagesgeschäft ist i. d. R. weder der Fremdvergleich noch das Outsourcing die Problemstellung. Meist geht es um die Frage, wie intensiv, d. h. wie häufig die Serviceabteilung in Anspruch genommen werden soll (›soll ›eine' zusätzliche Leistungseinheit bezogen werden‹). Im Regelfall steigen die Bereitschaftskosten des Servicecenters dabei nicht.
- Evtl. wird auch geprüft, ob ein Fremdvergleich mit externen Anbietern sinnvoll ist. Den Kosten, die bei Fremdvergabe zu zahlen wären, ist derjenige Teil der Kosten gegenüberzustellen, der von der Leistungsmenge abhängt. Der gesamte Kostenblock der Serviceabteilung besteht ex definitione ausschließlich aus Strukturkosten. Trotzdem verhält sich ein Teil dieser Strukturkosten abe...