Ein typischer Anwendungsfall der PKR ist der Beschaffungsvorgang, an dem verschiedene Abteilungen (Kostenstellen) der Verwaltung beteiligt sind. Zur Vereinfachung wird hier nur die KSt Einkauf detaillierter betrachtet. Sie hat im folgenden Beispiel inkl. des Abteilungsleiters vier Vollzeitkräfte und setzt vier Teilprozesse um.
TP-Nr. |
Beschreibung |
Mitarbeiter-Kapazität in MA-Jahre |
MA-Kosten |
Sachkosten |
AnzahlVorgänge |
lmi-KoSa |
Voll-KoSa |
1 |
Lieferanten-suche |
2,0 |
lmi: 100.000 |
lmi: 12.000 |
28 |
4.000 |
5.200 |
2 |
Rahmenvertrag schließen |
1,0 |
lmi: 40.000 |
lmi: 40.000 |
10 |
8.000 |
10.400 |
3 |
Abruf aus Rahmenvertrag |
0,2 |
lmi: 8.000 |
lmi: 0 |
200 |
40 |
52 |
4 |
Abteilung leiten u. sonst. Kosten |
0,8 |
lmn: 32.000 |
lmn: 28.000 |
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Abb. 193: KSt Einkauf
Die Sachkosten könnten bei Bedarf noch differenzierter dargestellt werden. So könnte beispielsweise bei der Lieferantensuche unterschieden werden zwischen Reisekosten, Datenbankrecherche etc. Auf diese Weise ließe sich erkennen, ob diese Kosten durch einen Anstieg der Leistungsmenge ebenfalls steigen. Bei Reisekosten würde man dies wohl bejahen, bei Raumkosten aber verneinen. Anhand der Tabelle ist dies nicht ersichtlich, aber die Raumkosten dürfen sinnvollerweise nicht in den lmi-Prozesskostensatz eingehen. Deshalb müssen die Raumkosten in den ›sonst. Kosten‹ des TP 4 enthalten sein. Dann beeinflussen sie nur den Vollkostensatz. Auch bzgl. der Genauigkeit der einzelnen Kostenpositionen wären Verfeinerungen möglich. So ist über alle Teilprozesse der gleiche Kostensatz für die Mitarbeiter verwandt worden. Der Abteilungsleiter wird aber deutlich teurer als der Durchschnitt der Sachbearbeiter sein. Die obige Abbildung ist in der Firma das Ergebnis der vorher erarbeiteten Prozesse. Es ist eine bereits zusammengefasste Sicht.
Andererseits könnte man prüfen, ob weitere Zusammenfassungen sinnvoll sind. Im obigen Beispiel ließe sich prüfen, ob Lieferantensuche und Rahmenvertrag nicht zusammengefasst werden sollten. Schließlich benötigt der Rahmenvertrag die Vorarbeit der Lieferantensuche. Andererseits wird es auch Neuverhandlungen von bestehenden Verträgen geben. Eine Zusammenlegung der beiden Teilprozesse wäre nur dann sinnvoll, wenn die Neuverhandlung wiederum den gleichen aufwendigen Prozess der Lieferantensuche auslösen würde wie beim erstmaligen Vertragsabschluss.
Nach der Auswahl der Teilprozesse sind ›Qualitätskontrollen‹ durchzuführen. Dazu zählt z. B. die Probe, ob die Ressourcenzuweisung auf die Teilprozesse stimmt. Mit der Ressourcenzuweisung und der Erfassung der Häufigkeit der Teilprozessdurchführung lassen sich die Teilprozesskostensätze errechnen. Die Vollkostensätze ergeben sich einfach durch einen Zuschlagssatz auf die lmi-Strukturkosten. Er beträgt im Beispiel:
Dadurch ist gleichzeitig eine teilweise Probe der Angemessenheit der Kostenrelationen der Teilprozesse möglich geworden: Die Kosten des Teilprozesses 4 ›Abteilung leiten und sonstige Kosten‹ sollten in Bezug auf die Gesamtkosten eher klein ausfallen. 30 % wäre in der Praxis ein sehr hoher Wert. Das ist nicht nur sachlogisch wichtig, sondern auch ein Qualitätsmerkmal der Verrechnung. Andernfalls wäre die Höhe der verrechneten Positionen in Relation zum ›Sonstigen‹ zu gering. Die Position ›Sonstiges‹ ist ex definitione immer die geringste Zahl und sollte i. d. R. weniger als 20 % betragen.
Relevant für unser Unternehmen ist der Hauptprozess ›Materialbeschaffung‹ – dargestellt in der nachfolgenden Grafik. Der Hauptprozesskostensatz von 120 EUR ergibt sich aus den Kosten aller zugehörigen Teilprozesse. Der Einkauf ist daran mit dem Abruf des Materials aus bestehenden Rahmenverträgen beteiligt. Das ist der Teilprozess 3. Der Hauptprozess benötigt darüber hinaus noch Teilprozesse von anderen Abteilungen, beispielhaft vereinfachend seien dies Labor und Logistik.
Abb. 194: Prozesssicht
Sofern einige Rohstoffe/Waren ohne Laborprüfung direkt eingelagert werden, ergibt sich eine Variante des obigen Hauptprozesses: Teilprozess 78 entfällt und damit ergibt sich ein neuer Hauptprozess-KoSa von 50 EUR je durchgeführtem Vorgang. Mit den Möglichkeiten moderner EDV können Regeln definiert werden, welche Teilprozesse bei welchem Vorgang anfallen und deshalb in die Verrechnung einzubeziehen (oder entsprechend im umgekehrten Fall wegzulassen) sind. Die Kosten der Beschaffung können nun den verschiedenen Sparten zugerechnet werden.