Vorsicht ist zusätzlich im Hinblick auf die mehrwertsteuerliche Behandlung in Großbritannien angebracht. Aktuell entspricht das britische Mehrwertsteuerrechts den Vorgaben des europäischen Mehrwertsteuersystems. Dies bedeutet, dass bei einer Beförderung oder Versendung von Waren an einen Kunden in Großbritannien sich der umsatzsteuerliche Lieferort grundsätzlich am Beginn der Warenbewegung und damit nicht in Großbritannien befindet. Die in Großbritannien zu erwartende Anmeldung des Warenbezugs bei den Zollbehörden für Zwecke der Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) liegt damit grundsätzlich im Verantwortungsbereich des britischen Kunden.
Wenn allerdings ein deutscher Lieferant unter einer Lieferbedingung wie "DDP" mit seinem britischen Kunden kontrahiert, könnte er zivilrechtlich verpflichtet sein, selbst die Einfuhranmeldung vorzunehmen und die britischen Einfuhrabgaben zu tragen. Vorbehaltlich einer Anpassung des britischen Mehrwertsteuerrechts nach dem Austritt hätte dies zur Folge, dass in Anwendung der dem § 3 Abs. 8 UStG entsprechenden Norm des britischen Mehrwertsteuergesetzes sich der Ort der Lieferung nach Großbritannien verlagert. Der deutsche Unternehmer müsste sich dann in Großbritannien für Umsatzsteuerzwecke erfassen lassen (Ausnahme: Anwendung einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für die Lieferung) und gegenüber seinem Kunden mit britischer Mehrwertsteuer abrechnen. Zugleich könnte er die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen.
Aus Unternehmenssicht ist daher dringend zu empfehlen, die Lieferbedingung DDP nicht zu verwenden und stets hinreichend klar zu vereinbaren, dass die Einfuhrverzollung Sache des Kunden ist. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in der EU war hingegen eine entsprechende Lieferklausel unproblematisch.
Praxishinweis
Lieferbedingung "DDP" bei Lieferungen nach Großbritannien vermeiden, wenn möglich.
Die Verpflichtung zur Zahlung von Einfuhrumsatzsteuer in Großbritannien kann weiterhin trotz voller Vorsteuerabzugsberechtigung des Unternehmers zu einer temporären Liquiditätsbelastung führen (i. d. R. liegen zwei Monate zwischen der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer und dem Abzug in der britischen Umsatzsteueranmeldung). Dies hängt damit zusammen, dass die Einfuhrumsatzsteuer nach zollrechtlichen Vorschriften grundsätzlich bei der Überlassung zum freien Verkehr fällig wird.
Das VK ermöglicht im VK umsatzsteuerlich registrierten Unternehmen, die Einfuhrumsatzsteuerschuld erst in ihren Umsatzsteuermeldungen anzumelden ("postponed accounting"). Dabei ist kein besonderer Antrag erforderlich, sondern es reicht aus, dass der Unternehmer durch Angabe seiner Umsatzsteuernummer in der Zollanmeldung anzeigt, dass er die Ware für sein Unternehmen importiert. Damit entfällt die temporäre Liquiditätsbelastung durch die Einfuhrumsatzsteuer, da der Vorsteuerabzug in der gleichen Meldeperiode möglich ist. Bei Postsendungen können besondere Regeln gelten.